Düsseldorf Bloggerin über Katzenvideos: Mehr als „Inkarnation des Banalen“

Katzen sind der Renner im Internet. Sie sind süß und scheinbar so menschlich. Katzenvideos werden sogar zu einer neuen Kommunikationsform.

Die freie Autorin und Bloggerin Annekathrin Kohout (26) lebt in Leipzig und beschäftigt sich mit Kunstphänomenen im Internet.

Die freie Autorin und Bloggerin Annekathrin Kohout (26) lebt in Leipzig und beschäftigt sich mit Kunstphänomenen im Internet.

Foto: Kohout

Düsseldorf. In Düsseldorf wird am Freitag das erste deutsche Katzenvideofestival veranstaltet. Die Bloggerin und Medientheoretikerin Annekathrin Kohout erklärt, wie die niedlichen Samtpfoten zu einer neuen Kommunikationsform wurden.

Warum ist „cat content“ so ein Hype im Internet?
Annekatrhin Kohout:
Das hat mehrere Gründe. Katzen gehören zu unserer Alltagskultur. Sie sind neben Hunden das wichtigste Haustier. Diese Alltagswelt kommt im Internet immer gut an, weil sich viele damit identifizieren können und das Gefühl haben, gut an einem Trend partizipieren zu können.

Warum aber gerade Katzen, und nicht Hunde?
Kohout:
Weil wir der Katze mehr menschliche Eigenschaften zuschreiben als anderen Tieren. Opportunismus und Selbstständigkeit sind eher der Katze zu eigen als dem Hund. Deswegen eignen sich Katzen auch als Stellvertreter für uns, um in bestimmten Situationen Dinge zu kommentieren.

Und warum gucken wir uns so gern Katzenvideos an?
Kohout:
Erst mal, weil sie niedlich sind und man das Niedliche im Internet ungehemmt anschauen kann, ohne dass es gleich Hochkultur ist. Und weil wir uns darin entdecken. Wir haben das Gefühl, wir könnten das jetzt auch selbst sein, sind es aber nicht. Diese Art von Unbeholfenheit, wie man sie von Katzen kennt, und bestimmte Gesten assoziiert man bis zu einem gewissen Grad mit sich selbst. Katzen sind Charaktertiere, sagt man ja auch.

Was sind das für Menschen, die Katzenvideos machen?
Kohout: Es gibt bestimmte Dinge, die haben eine „Kick off“-Qualität. Man kann sie gut beispielsweise benutzen, um damit etwas Witziges zu machen, was anschließend im Internet zum Nachmachen anregt. Dazu gehören Katzen, weil sie oft überraschend sind. Auf das gepostete Video bekommt man viele Likes. Das ist ein ganz banaler Grund, jeder möchte partizipieren und dafür aber auch honoriert werden.

Es gibt in den USA und jetzt auch in Deutschland schon Katzenvideofestivals. Ist das ein Sieg der Banalität?
Kohout:
Das ist eine wichtige Debatte. Im späten 19. Jahrhundert waren Katzen die Inkarnation des Banalen. Man hat Katzen mit Frauen synonym gesetzt, um Frauen jede Form von Intellektualität abzusprechen. Aber das Banale kann in bestimmten Situationen auch zielgerichtet eingesetzt werden. Ein Katzenvideofestival ist ein Statement. Es ist ein Gestus, die Ernsthaftigkeit aus so einer musealen Institution rauszunehmen. Frage: Taucht der cat content inzwischen auch in anderen Zusammenhängen auf? Antwort: Man kann damit kommunizieren und auch kommentieren. Man kann damit sagen, Ihr seid mir zu ernst und postet ein Katzenfoto, um eine Situation ironisch zu entschärfen.

Ist der Hype um cat content tatsächlich immer noch so groß?
Kohout:
Der Hashtag #catcontent hat sich inzwischen verselbstständigt und steht auch für Spam oder banalisierte Inhalte. Der Hashtag muss also nicht mehr nur bei Katzenvideos oder Katzenbildern stehen. Insofern kann sich ein Hype oder Trend auch weiterentwickeln und ganz andere Bedeutungsebenen erklimmen.

Dann ist cat content also heute sozusagen ein allgemeines Symbol für Banalität?
Kohout:
Ja, aber Banalität ist eben nicht mehr banal, sondern trägt wesentlich neue Funktionen. Natürlich sind Katzenvideos die Inkarnation des Banalen, und ich glaube auch, dass sie deswegen so gut funktionieren und wir uns so freuen, sie anzuschauen. Denn es fordert nichts von einem ein. Aber auf der anderen Seite kann man cat content inzwischen als Kommunikationsinstrument nutzen. Mit cat content kann man das sagen, was nicht zu ernst genommen werden soll, aber doch seinen Ausdruck finden muss. Alles, was sonst zu direkt oder sogar peinlich wäre. Es wird eine ironische Distanz ermöglicht.

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