„Bei uns darf es auch mal laut sein“

Die neue Leiterin der Bücherei, Fausia el Jerroudi, will gegen das verstaubte Image ankämpfen und hält nichts von Verboten.

„Bei uns darf es auch mal laut sein“
Foto: J. Michaelis

Düsseldorf. Vom Zuhause aus nur einmal die Fußgängerzone überqueren, dann war Fausia el Jerroudi bereits am Ziel. Das hieß seit frühester Kindheit: Zentralbücherei am Hauptbahnhof. „Vielleicht wäre mein Leben anders verlaufen, wenn eine Schnellstraße dazwischen gewesen wäre. Aber so durfte ich schon von klein auf alleine in die Bücherei.“ Fast jede freie Minute verbringt sie dort, leiht sich stapelweise Schmöker aus. „Ich liebe es, in andere Welten zu flüchten. Das kann man nirgends so gut wie in Büchern.“ Ihr Herz schlägt vor allem für Fantasy-Romane.

Aktiv

im Stadtteil

Schon früh war der heute 32-Jährigen klar, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen will. Nach dem Abitur am Lessinggymnasium studiert sie Bibliothekswesen in Köln. Seit 2008 arbeitet sie nun in der Bücherei an der Hoffeldstraße und übernahm vergangenen Sommer die Leitung. „Der Beruf ist wahnsinnig vielseitig und kreativ. Man entwirft Plakate, plant Veranstaltungen oder kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit.“

Am wichtigsten ist Fausia el Jerroudi aber der Kontakt mit den Besuchern. „Jeder soll sich bei uns willkommen fühlen. Die Bücherei soll ein Raum sein, in dem die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen. Bei uns darf es auch mal laut und lebhaft sein. Im ersten Stock kann man dafür in Ruhe arbeiten.“ Von Verboten hält die Leiterin jedenfalls wenig. „Ich will generell gegen die typischen Bücherei-Klischees ankämpfen. Altbacken und verstaubt soll es bei uns auf keinen Fall sein.“

Besonders wichtig ist der Mutter einer kleinen Tochter die enge Kooperation mit Kitas und Schulen. „So wollen wir Kontakt bekommen zu Kindern, die mit ihren Eltern nicht in die Bücherei gehen.“ Auch ein barrierefreier Zugriff auf das Büchereiangebot ist für sie von großer Bedeutung. „Das fängt schon damit an, die Anmeldung so unkompliziert wie möglich zu machen. Oder Leute bis 21 von der jährlichen Gebühr zu befreien.“

Dass mittlerweile auch viele Flüchtlinge regelmäßig in die Bücherei kommen, freut die Leiterin mit marokkanischen Wurzeln sehr. „Dabei hilft uns natürlich auch unsere zentrale Lage. Die Flüchtlingsberatung von Flingern Mobil ist ja in Wurfweite.“ Entscheidend sei, sich den Bedürfnissen der Neu-Flingeraner anzupassen. „Eine Kundin von uns ist aus dem Iran geflüchtet. Dort hat sie als Rechtsanwältin gearbeitet. So jemandem Kinderbücher zum Deutsch-Lernen zu geben, finde ich unpassend und degradierend.“ Stattdessen hat sie Sonderausgaben von Romanen wie „Tschick“ und Klassiker von Shakespeare und Co. in einfacher Sprache im Regal für erwachsene Deutschlerner platziert.

Etwa 40 000 Besucher kamen im abgelaufenen Jahr in die Bücherei, darunter rund 300 Neukunden. Doch Zahlen sind Fausia el Jerroudi nur bedingt wichtig. „Eine Bücherei ist dann erfolgreich, wenn ihr Kundenstamm die Gesellschaft widerspiegelt.“ Dass die Bevölkerung in Flingern so bunt durchmischt ist, mache ihre Arbeit umso reizvoller. „Ich finde den Begriff ,Volksbücherei’, der in Dänemark gebräuchlich ist, ganz treffend. Der beinhaltet für mich, dass man sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.“ Daher wolle man in naher Zukunft auch die Öffnungszeiten ausweiten. Derzeit hat die Bücherei 22 Stunden in der Woche geöffnet.

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