Demonstrationen Bei Flüchtlingen geht die Angst um

Zwei Demonstrationen gegen die drohenden Abschiebungen nach Afghanistan und in den Irak am Samstag.

Düsseldorf. Afghanische und irakische Flüchtlinge haben am Samstag gegen die angedrohten Rückführungen in ihre Heimatländer protestiert. Anlass dafür ist die Entscheidung der deutschen Bundesregierung, Afghanistan und den Irak zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Etwa 400 afghanische Geflüchtete und Unterstützer zogen vom DGB-Haus durch die Innenstadt zum Johannes-Rau-Platz, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Demonstrationen: Bei Flüchtlingen geht die Angst um
Foto: J. Michaelis

So auch Khadija Ibrahimi. Als sie sich im Sommer letzten Jahres mit ihrem Mann Sakhi und ihrem achtjährigen Sohn Soheil auf den Weg von Afghanistan nach Deutschland machte, begab sie sich auf eine gefährliche Reise mit ungewissem Ausgang. Zwei Monate war die junge Familie unterwegs, einige Tage davon auf einem Boot von der Türkei nach Griechenland. Für die Überfahrt allein haben sie 1500 Euro pro Person und 1000 Euro für ihren Sohn bezahlt. „Wir waren zwei Tage mit 50 Menschen in einem sieben Meter langen Boot“, sagt Khadija. Um die Reise bezahlen zu können, verkaufte die Familie ihr gesamtes Hab und Gut.

Im September 2015 erreichten sie schließlich Deutschland und fühlten sich gleich willkommen: „Die Menschen hier waren sehr freundlich und hilfsbereit. Wir waren sehr erleichtert, dass wir es geschafft hatten“. Nach einem Jahr und drei Monaten könnten sie nun aber gezwungen werden, nach Afghanistan abgeschoben zu werden.

Grund dafür ist die im Oktober geschlossene Vereinbarung zwischen der EU und Afghanistan. Die afghanische Regierung verpflichtet sich, bis zu 80 000 afghanische Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Im Gegenzug erhält sie von der EU ein milliardenschweres Hilfspaket. Geld, das wie Khadija sagt, den Menschen in Afghanistan nicht helfen wird, da sie befürchtet, dass es seinen Einsatzzweck nie erreichen wird: „Unsere Regierung in Afghanistan ist von Grund auf korrupt, aber das wollen die deutschen Politiker nicht wahrhaben“, so Khadija.

Vor ihrer Flucht nach Deutschland haben Khadija und ihre Familie versucht, in ihrer Heimat ein einigermaßen normales Leben zu führen, was jedoch nicht möglich war: „Wir haben versucht uns mit der Kriegssituation zu arrangieren, aber jedes Mal, wenn mein Mann das Haus verließ, fürchteten mein Sohn und Ich, dass er nicht lebend zurückkehren würde.“

Über die nun angedrohte Abschiebung ist sie entsetzt: „Wir haben alles getan, um uns so schnell wie möglich in unserer neuen Heimat zu integrieren und vom ersten Tag an Deutsch gelernt“, sagt Khadija, die in ihrer Heimat als Englischlehrerin tätig war: „Wir sind nicht hierher gekommen, um Spaß zu haben, sondern weil wir am Leben bleiben wollen.“

Zur selben Zeit fand am Grabbeplatz in der Altstadt eine Kundgebung von irakischen Flüchtlingen statt, die ebenfalls ihr Bleiberecht in Deutschland fordern. Einer von ihnen, der 22-jährige Mohammed Al Obodi, machte ebenfalls eindringlich auf seine Situation aufmerksam, denn auch er erhielt einen Abschiebungsbescheid: „Noch im letzten Jahr war ich einige Zeit in IS-Gefangenschaft und überlebte nur, weil mich die irakische Armee befreite.“ Seit neun Monaten lebt er nun in Düsseldorf. „Wir sind Deutschland sehr dankbar und wollen ein Teil der deutschen Gemeinschaft werden. Ich fühle mich hier zum ersten Mal wirklich sicher. Dieses Gefühl nicht mehr haben zu dürfen, wäre für mich furchtbar.“ In den kommenden Wochen werden Khadija und Mohammed erfahren, ob auch sie Deutschland verlassen müssen. So unterschiedlich die Geschichten der einzelnen Familien an diesem Tage waren, so eint sie doch der gleiche Wunsch, dass die deutsche Bundesregierung ihre Entscheidung bezüglich der sicheren Herkunftsländer noch einmal überdenken soll.

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