Bei der Probe steht Musik im Vordergrund

Am 11. 11. feiert die Dreigroschenoper von Brecht unter der Regie von Andreas Kriegenburg Premiere im Central.

Bei der Probe steht Musik im Vordergrund
Foto: Thomas Rabsch

Im deutschsprachigen Raum zählt er zu den gefragtesten Theater- und Opern-Machern unserer Tage: Andreas Kriegenburg (Foto unten: dpa), Jahrgang 1963, gelernter Tischler, ist zwar als Regisseur Autodidakt, wurde aber bereits mit Ende 20 mit aufsehenerregenden Inszenierungen an der Berliner Volksbühne (wie „Woyzeck“) zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Er wurde wild beschimpft, seine Regietaten geliebt und gehasst. Der gebürtige Magdeburger, der in den 90ern als Newcomer aus dem Osten Stücke zertrümmerte — meist an der Seite von ‚Ober-Zertrümmerer’ Frank Castorf —, spaltete häufig Publikum und Presse. Doch dann wandte er sich vom Dekonstruktions-Theater à la Castorf ab, entwickelte sich zum poetischen, psychologisch feinnervigen Erzähler, dem meist die kleinen Leute am Herzen liegen. „Komödiantisch existenzialistisches Körpertheater“ nannte eine Kritikerin seinen neuen Stil.

Und Kriegenburg inszenierte wie ein Arbeitstier, ein Werk nach dem anderen, fast wie am Fließband, große Oper und Sprechtheater in allen großen Häusern der Republik. Derzeit probt er, der kürzlich bei den Salzburger Festspielen unter großem Jubel Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ herausbrachte, mit Düsseldorfs Ensemble die „Dreigroschenoper“ von Brecht, die am 11. November Premiere im Central feiern wird. In dem 1928 uraufgeführten Klassiker geißelt Brecht die Schlechtigkeit der Welt und die Verderbtheit der Menschen, für die halt immer „erst das Fressen und dann die Moral“ kommt. Da will Kriegenburg so nah am Original wie möglich bleiben.

Kein Wunder, die Haupt-Figuren wie Peachum, Firmenbesitzer von „Bettlers Freund“, seine Tochter Polly und Mackie Messer in den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise, reiben sich an den sozialen Missständen dieser Zeit. „Aktuell politische Anspielungen aber überfordern das Werk“, sagt Kriegenburg. „So sind einige Kostüme auch Zitate der 1928er Jahre.“

Was reizt ihn an dem raffiniert gebauten Werk mit Musik und Songs von Kurt Weill über Moral und Unmoral? „Als Regisseur muss ich die Geschichte in die Songs einbetten. Dabei hat man Angst vor naiv Schnoddrigem und Anti-Intellektuellem. Das muss ich in Balance bringen.“ Von Agitatorischem und Polit-Propanganda hält Kriegenburg mit Anfang 50 nichts mehr. Zumal die Welt seit der Uraufführung - mit ihrer Kapitalismus-Kritik, die damals große eine Sprengkraft hatte — heute eine andere ist. Der Regisseur: „Besonders das Banken-System und das ‚Proletariat’ haben sich grundlegend verändert. Aber auch damals besuchten die Aufführungen meist privilegierte Bürger. Hungrige Arbeiter waren selten im Publikum.“

Beim Thema Musik von Kurt Weill und Orchester spürt man den Opernmacher Kriegenburg. Sie sei entscheidend bei dieser Aufführung. Und erzählt von den Proben: „Zwei Drittel der Zeit gilt der Musik. Jede Probe beginnt mit Einsingen und Stimmbildung.“

Handverlesen daher die Crew von Sänger-Schauspielern. Denn Polly, Lucy und Spelunken-Jenny müssen auch ganz schön hoch singen. Kriegenburg: „Das heißt, sie dürfen nicht nur schön singen, sondern müssen beim Gesang einen Seelen-Striptease vollführen. Das muss man sich trauen. Nur dann gelingt die Verschmelzung zwischen Spiel und Gesang auf der Bühne.“ Kriegenburg, der hier mal wieder sein eigener Bühnenbildner ist, will 14 Tage vor der Premiere nicht viel verraten. Ein anspruchsvolles Jahr liegt hinter ihm, mit „Lady Macbeth von Mzensk in Salzburg“ und Strauss’ „Frau ohne Schatten“ in Hamburg. Ebenso vor ihm; Denn 2018 wird er erstmals Meyerbeers „Hugenotten“ in der Pariser Oper herausbringen. Ein Mann, der viel auf Achse ist. Als Regisseur zu viel? Überall andere Sänger, andere Darsteller. Heute würde ihn es reizen, ein Ensemble zu formen, mit ihm zu wachsen. Verantwortung scheue er nicht.

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