Ausstellung im KIT: Wenn Kunst in Verweisen ertrinkt

Emanzipierte Frauen, Kneipp-Kur, Honig: Künstlerin Natalie Häusler inszeniert im KIT eine crossmediale Schau zu vielen Themen. Doch ihre Kunst kommt nicht zur Wirkung.

Düsseldorf. Natalie Häusler ist eine Künstlerin, die sich zwischen Dichtung und bildender Kunst bewegt. Ihre Spezialität sind sogenannte Environments, sie gestaltet und inszeniert Räume, die begangen, betrachtet und erlebt werden können. Ihre Mittel: Malerei, Skulpturen, Sprache und Sound.

Mit ihrer crossmedialen Kunst hat Häusler, Jahrgang 1983, bereits viel Anerkennung erfahren: mit Ausstellungen, Preisen und Residenzen. Jüngst weilte sie als Stipendiatin in der renommierten Villa Aurora in Kalifornien. Nun stellt die in Berlin lebende Künstlerin im KIT aus.

„Honey“ nennt sie das Environment, das sie geschaffen hat: Aquarium, Pool, Motorrad, Vorhang, Siebdrucke, Soundinstallationen. Alles immens aufwändig. Doch die Hauptakteure der Schau sind nicht die Kunstwerke, sondern die Referenzen. Alles, was der Betrachter sieht, hört und berührt, verweist auf irgendetwas. Das Spiel mit Verweisen ist angesagt bei vielen Künstlern, und bei Kunsthistorikern ganz besonders beliebt. Sie qualifizieren Kunst oft nur dann als gut, wenn sie von Bezügen nur so wimmelt: auf die Kunstgeschichte, auf die Literatur, auf die Philosophie oder auf aktuelle gesellschaftliche Geschehnisse. Natalie Häusler ist auch so eine Vertreterin der Verweis-Kunst.

Bei Anna-Lena Rößner, der Kuratorin der Schau, kam das offensichtlich gut an. Häusler inszeniert die Tunnelarchitektur als Unterwasser-Garten, will poetische Räume öffnen, zugleich sozialkritisch und intellektuell sein, doch das Konzept misslingt, ihre Kunst ertrinkt in Referenz-Fluten. Schwimmen wir hindurch.

Ausgangspunkt ist das mittelalterliche, französische Versepos „Roman de la Rose“, in dem der Ich-Erzähler einen Traum schildert, der sich in einem ummauerten Lustgarten abspielt. Der Roman kritisierte die weibliche Sexualität und rief 1399 eine der ersten feministischen Literaturkritiken hervor. Häusler, feministisch motiviert, interpretiert den Originaltext in der Ausstellung auf verschiedene Weisen neu. Sie verlegt den Garten aus dem Roman ins KIT, denkt ihn sich aber unter Wasser, obwohl er eigentlich neben dem Rhein liegt. Und so trifft der Besucher am Anfang auf ein Aquarium mit bemoostem Lavastein und Vegetation. Die Miniatur-Unterwasserwelt ist sechseckig, ebenso wie die Säule, auf der sie steht. Den Lavastein und das Sechseck müssen Sie sich merken, sie kehren wieder.

Im Tunnelgang hängt ein grüner Vorhang, der wie eine Welle in den Hauptraum hinabführt. Dort trifft man auf ein Schwimmbecken. Der verweist auf die biblische Geschichte von König David und Batseba. David entdeckt sie beim Baden und ist von ihrer Schönheit überwältigt. Er schickt ihren Mann an die Front, schwängert sie und macht sie zu seiner Frau. Batseba kommt nur eine passive Rolle zu.

Häusler, schreibt die Geschichte um: David wartet am Rand des Pools auf Batseba, doch sie taucht unter und reist durch den Boden des Beckens nach Paris in die Orangerie. Einen Part der Neuversion hat Häusler per Hand Buchstabe für Buchstabe auf den Fliesen des Pools verewigt. Innen und außen. Die komplette Neuversion ertönt mehrstimmig auf Kopfhörern. Auf beiden Mauerseiten im Hauptraum hängen außerdem lauter bunte Siebdrucke mit Fischschuppen-Mustern. Sie sollen an die mit Gitterwerk bedeckten Fenster in Klöstern erinnern und einen imaginären Zugang nach draußen schaffen.

Doch nicht nur das: Auf jedem Siebdruck sind Begriffe aus einem veralteten englischsprachigen Lexikon für Ökologie und Umweltwissenschaften draufgedruckt, etwa „cosmic air pollution“ oder „hydro therapy“. Begriffe, die unter anderem auf die Ideen der Lebensreformbewegung im 19. Jahrhundert verweisen. Sie setzten auf alternative Heilverfahren, ökologische Nachhaltigkeit und einen Einklang von Mensch und Natur. Aus dieser Zeit stammt auch die Erfindung der Hydro-Therapie von Sebastian Kneipp, auf die wieder das Schwimmbecken verweist. Denn das ist eigentlich ein Kneipp-Becken, kniehoch befüllt mit eiskaltem Wasser. Doch benutzt werden darf es nicht. Es geht eher darum, angesichts unseres gefährdeten Planten wieder über die Ideen der Lebensreformbewegung nachzudenken.

Nun liegen um den Pool herum auch lauter Lavasteine. Erinnern Sie sich an das sechseckige Aquarium am Eingang? Darin befand sich ein Lavastein. Auf ihm können Pflanzen besonders gut gedeihen. Ein wichtiges Element also für die Vision eines kleinen Unterwasser-Gartens. Im Laufe der Ausstellung soll er üppig wachsen.

Kommen wir zur Sechseck-Form des Brunnens. Sie bezieht sich auf eine weitere Arbeit am Ende der Tunnelarchitektur: Auf dem Boden befindet sich nämlich eine sechseckige Plattform aus Steinen, Seetang, Algen und Bienenwaben — abgegossen und mit bunten Pigmenten eingefärbt. Die Pigmente sind organisch-mineralischer Natur. Sie symbolisieren somit auch den Einklang von Mensch und Natur, was sich im Titel der Arbeit widerspiegelt: „Ecology“.

Mit den Pigmenten hat die Künstlerin teilweise auch ihre Siebdrucke angefertigt, was irisierende Effekte hervorruft. Die hexagonale Plattform erinnert mit ihrer hubbeligen Oberfläche an Fußreflexzonen-Matten, womit Häusler wieder ein naturheilkundliches Thema ins Spiel bringt. Nun darf der Besucher aktiv werden und barfuß auf die Hubbelplattform steigen. Er sollte es sogar tun, denn nur dann ist es möglich, die über ihm ertönenden Klänge und Texte komplett zu hören. Aus den Ultraschall-Lautsprechern erklingen jene Begriffe, die auf den Siebdrucken zu sehen sind, und deren Definitionen. Nur werden Begriffe und Definitionen immer neu kombiniert. Ein poetisches Spiel. Zugleich akustischer Widerstand gegen die Statik und Willkürlichkeit von Sprache und Definitionen.

Vorgetragen wird aber auch eine Textpassage aus der „Ehtik der Psychoanlayse“ des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacans, in der er den Honig als Metapher für die komplizierte Kommunikation zwischen den Menschen benutzt: wie der Honig ist sie hart oder flüssig. Womit wir beim Ausstellungstitel „Honey“ sind. Lacans beschäftigte sich außerdem mit der Form der Honigwabe. Die ist sechseckig. Dementsprechend hat Häusler der Fußreflexzonen-Plattform auch als Hexagon gestaltet. Genauso wie das Aquarium am Eingang. Eine weitere Referenz zum Titel bildet das Gedicht „The Honey Bear“ (Das Honigbärchen) der US-amerikanischen Dichterin Eileen Myles, das Häusler bei literarischen Recherchen begegnet ist. In dem Gedicht regt die Plastikhonigbärchenverpackung die weibliche Figur an, sich mit ihrem Ich, Aussehen, Alter und ihrer Wirkung auf andere auseinanderzusetzen. Nicht zuletzt verbirgt sich hinter „Honey“ auch der allseits bekannte Kosename für Frauen, mit dem die Künstlerin wohl etwas Verniedlichendes assoziiert.

Aber die Protagonistinnen in Häuslers Geschichten wollen keine Honeys sein, sondern emanzipierte Frauen. So wie in der Klangcollagen-Skulptur „Loving the motor cycle“, die in der Haupthalle steht. Der Besucher kann sich auf ein Motorrad setzen, das Häusler extra für die Schau angemietet hat, und darauf einem Hörstück lauschen. Es handelt von einem kleinen Mädchen, das unter einer Motorrad-Phobie leidet und sich mit Hilfe ihrer Mutter diesen Ängsten stellt — eine Therapie gegen die Angst vor einem Männlichkeitssymbol. Diese Arbeit stammt aus dem letzten Jahr, Häusler hat sie importiert, genauso wie „The Bird“: eine Uhr mit drei Zeigern aus Papageienfedern. Sie verweist wieder auf den Rosenroman: der Vogelgesang bildet nämlich eines der Grundelemente des mittelalterlichen Gartens.

Und die Uhr? Sie sei ein „mahnendes Symbol einer verstreichenden Zeit hinsichtlich des Menschen und dessen Umgang mit der Erde“, erklärt der Ausstellungs-Guide. Ende der Verweis-Tour.

Das Spannendste der Schau sind die Geschichten, die Häusler erzählt. Doch dafür hätte es all der Skulpturen, Siebdrucke und Installationen nicht bedurft. Sie verkommen zur Staffage und lassen den Betrachter weitgehend kalt. Es wäre besser gewesen, wenn Natalie Häusler einfach nur einen Roman oder eine Erzählung geschrieben hätte.

Info: Die Ausstellung „Natalie Häusler. Honey“ läuft noch bis zum 23. September im KIT.

kit.kunst-im-tunnel.de

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