Düsseldorf Ausgediente Bahnsteige: Von der Haltestelle zur Pommes-Terrasse

Von vielen Stationen, die durch die U-Bahn ersetzt wurden, ist nur noch ein Gerippe übrig. Andere erwachen zu neuem Leben.

Düsseldorf: Ausgediente Bahnsteige: Von der Haltestelle zur Pommes-Terrasse
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Vom Bahnsteig der Station Benrather Straße Richtung Bilk ist nur noch genau das übrig: ein Bahnsteig, ein Streifen erhöhten Betons, daneben eine Glaswand zur Fahrbahn hin. Kein Schild, kein Wartehäuschen, kein Mülleimer. Nichts mehr. In der Gegenrichtung auf der Breite Straße ist die Haltestelle sogar schon komplett verschwunden — es war die Bedingung eines Investors, der dort baut und die ganze Breite der Fahrbahn nutzen wollte. Sie ist die erste Straßenbahnstation, welche die Wehrhahn-Linie ihrer Aufgabe beraubt hat, die eingestampft wurde. Bei manch anderer wird das noch viele Monate dauern.

Düsseldorf: Ausgediente Bahnsteige: Von der Haltestelle zur Pommes-Terrasse
Foto: Judith Michaelis

Etwa wenige zig Meter weiter an der Station Graf-Adolf-Platz. Nackte Pfähle zeugen von den Haltestellenschildern mit den Linien 712, 706 und 703, die hier noch vor gut einem Monat fuhren. Doch eine elektronische Anzeigetafel verheißt: „Außer Betrieb! Willkommen im neuen Netz!“ Eine Frau geht den Bahnsteig entlang — aber sie will nur hinüber in den Ständehauspark. Die Haltestelle ist jetzt eine sehr lange Verkehrsinsel.

Düsseldorf: Ausgediente Bahnsteige: Von der Haltestelle zur Pommes-Terrasse
Foto: Judith Michaelis

Die Haltestellen am Kirchplatz immerhin haben ihren Sinn noch nicht völlig verloren — allein die Wendeschleife dort ist inzwischen nur Warteposition für die Linie 732 und ohne Wartehäuschen ziemlich tot. Die Busse 835 und 836 fahren noch. Doch auf keinen von ihnen wartet Sigrid Tontsch, die mit einer Einkaufstasche und einem Strauß Tulpen auf der Bank an der Station Richtung Innenstadt sitzt. „Fährt hier jetzt gar keine Straßenbahn mehr?“, fragt sie erschrocken. Sie sei nicht so oft in der Gegend, nur für Arztbesuche. Sie wollte mit der Bahn zur Heine-Allee fahren und dann weiter mit der U-Bahn zum Belsenplatz — die neue U-Bahnhaltestelle Kirchplatz, von der jetzt Züge in die City rasen, hatte sie gar nicht gesehen. „Na gut, dann probiere ich das mal aus.“

Den traurigsten Anblick bietet derzeit vermutlich die alte Station Jacobistraße gegenüber des Kaufhof, die tatsächlich nur noch das Gerippe einer Haltestelle ist. Sogar zwei Glasplatten der Spritzschutzwand fehlen schon, sind durch Gitter ersetzt. Am Jan-Wellem-Platz genießen immerhin zwei Passantinnen, dass sie sich im Wartehäuschen mal ausruhen können — vor den leeren Schaukästen, in denen bis vor Kurzem noch Fahrpläne hingen. „Wir sind müde vom Spazieren“, erklärt die eine.

Ebenso umgenutzt wird derzeit auch die Haltestelle Heinrich-Heine-Allee hinterm Bolker Stern — als Außenterrasse des „Fritten Piet“ sozusagen. Student Sven Bernick hockt dort bei Pommes mit seinem Vater und seinem Bruder. „Es ist einfach praktisch. Sonst war es immer doof, mit den Fritten hier rumzulaufen — oder die wartenden Fahrgäste zu stören.“ Fünf Minuten später hält ein Wagen und ein Mann tauscht die Werbeplakate für Joghurtdrinks und ein neues Handy gegen Mode und eine Pflegeserie für den Mann aus. Auch wenn vom alten Haltestellen-Leuchtwürfel nur noch ein Metallkorpus mit nackter Neonröhre dahinter übrig und der Boden mit Pommesgabeln übersät ist — dies ist unter den verlassenen Straßenbahnstationen wohl noch diejenige mit dem meisten Leben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort