Glosse Auf den Spuren der Hortensien-Kiffer

Selbst die Reporterin ist überrascht, was Menschen so alles rauchen. Und ist deshalb mal:

Glosse: Auf den Spuren der Hortensien-Kiffer
Foto: Ahlen/imago

Als Polizeireporterin ist man ziemlich nah dran an der örtlichen Drogenszene — weiß, welche Gruppe am Bahnhof was vertickt; ob es nun schon Crystal-Meth-Fälle gab und so weiter. Vor ein paar Tagen fiel die Schreiberin aber doch vom Glauben ab — als eine Kollegin ihr eine große deutsche Tageszeitung hinhielt und sagte: „Guck mal, die rauchen jetzt Hortensien!“

Glosse: Auf den Spuren der Hortensien-Kiffer
Foto: Ahlen/imago

Hortensien, das sind diese Blumen mit den großen runden Blütendolden, die schon nach einem Tag ohne Wasser im Sommer alles theatralisch hängen lassen, was nur geht. Sie sollen für Bio-Kiffer aber auch ein Marihuana-Ersatz sein, mit Tabak geraucht eine euphorisierende Wirkung erzielen. Das entsprang nicht etwa der blühenden Fantasie (verzeihen Sie das Wortspiel) der Kollegin: Vor allem in Brandenburg und Schleswig-Holstein gab es schon ganze Diebstahlsserien, in Rheinland-Pfalz bestätigte das LKA ein „ungelöstes Rätsel“. Schon Ende der 90er war Münster ein Brennpunkt des Hortensien-Klau, wurde gar eine Hortensien-Hotline eingerichtet.

Da muss die Reporterin nachhaken. Bei einem so eindeutigen Trend: Kann es sein, dass blumenmeuchelnde Junkiebanden durch Düsseldorfs Vorgärten ziehen auf der Suche nach ihrem Stoff — und keiner weiß es? Auf dem Blumengroßmarkt hat man noch keine Häufung von Hortensien-Diebstahl registriert. „Das würde aber auch nicht einfach gehen, es sind ja Riesenbüsche“, sagt Ulrike Schöttler. Und: Das Gelände ist videoüberwacht. Beim Stadtverband der Kleingärtner steigt Nicole Mesch in die Recherche ein — um dann zu melden: „Unsere Vorstände haben ihre Ohren überall — aber keiner hat je davon gehört.“ „Das höre ich zum ersten Mal“, sagt Jens Wilhelmi von Korfys Gartencenter an der Oerschbachstraße. „Hortensien sind ziemlich gut gelaufen dieses Jahr.“ Aha! „Aber ob die Kunden die rauchen wollten. . . machte eigentlich nicht den Eindruck.“

Ganz und gar nicht neu ist das Thema für Frank Scheulen vom Düsseldorfer LKA: „Es ploppt alle zwei bis drei Jahre hoch.“ Das Problem: „Wir kriegen die Statistik nicht nach der Art des Diebesguts ausgewertet.“ Hortensien werden im Datenwust mit geklauten Portemonnaies und im Laden stibitztem Nagellack in einen Topf geworfen. Wie viele Fälle es in NRW gibt, kann Scheulen daher nicht sagen. Das gleiche Statistikproblem haben auch die Rauschgiftfahnder des Düsseldorfer KK 15: keine Erkenntnisse, heißt es dort. Aber zumindest eine wohlmeinende Warnung hat man parat: Nur weil Hortensien legal und total Bio sind, sind sie nicht gesund. Beim Rauchen könne Blausäure freigesetzt werden, die zu Vergiftungen führen kann.

Es scheint also, als sei Düsseldorf für die Hortensien-Mafia kein florierender (nochmals Entschuldigung) Markt. Noch! Die Reporterin wird wachsam darauf warten, dass die Dealer am Bahnhof mit pinken Büschen hausieren gehen und die ersten illegalen Hortensien-Plantagen in Hinterhöfen aufblühen. Und so lange weiter ihre Hortensie im Hof gießen. Jeden Tag.

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