Bombenanschlag in Düsseldorf vor 17 Jahren Anschlag in Düsseldorf: Auf diese Bilder hätte ich gerne verzichtet

Düsseldorf. Reporter sind am liebsten immer die ersten. Egal wo etwas Größeres passiert, es gilt, möglichst vor allen anderen abzugreifen, was die Geschichte zu einer besonderen macht.

Bombenanschlag in Düsseldorf vor 17 Jahren: Anschlag in Düsseldorf: Auf diese Bilder hätte ich gerne verzichtet
Foto: dpa

Als am 27. Juli 2000 um kurz nach 15 Uhr der verheerende Anschlag an der S-Bahnhaltestelle Am Wehrhahn im Düsseldorfer Stadtteil Flingern geschah, waren wir mit zwei, drei Reportern sehr früh am Tatort. Polizisten hatten ihn großräumig abgesperrt, und die sonst trubelige Ackerstraße, die zu der S-Bahnhaltestelle hinaufführt, war fast still. Kein Auto, kaum Menschen waren unterwegs. Es war, als hätten sich alle Geräusche und jede Bewegung nach oben zum Tatort verschoben. Dort herrschte Chaos: Rettungswagen, Feuerwehr, Polizei, Schaulustige. Sehr viel Blut war zu sehen. Sanitäter und Ärzte versorgten die schwerverletzten Opfer, und man konnte an den Gesichtern der Helfer ablesen, dass sie kämpfen mussten, um die Fassung zu bewahren.

Bombenanschlag in Düsseldorf vor 17 Jahren: Anschlag in Düsseldorf: Auf diese Bilder hätte ich gerne verzichtet
Foto: Dieter Knopp/Stadtarchiv

Wir Journalisten waren auf ein trauriges Durcheinander geprallt und ich weiß noch, dass ich dachte, die Exklusivität dieser Bilder kann mir gestohlen bleiben. Darauf hätte ich gerne verzichtet. Der Boden in dem gekachelten Durchgang zu der Bahnhaltestelle war übersät mit den Habseligkeiten der Opfer. Die Detonation hatte Jacken und Taschen zerfetzt, sie auf die Straße und bis in den Gleisbereich unterhalb des Durchgangs geschleudert.

Dort in den Büschen setzten sich sonst Drogensüchtige ihre Spritze, jetzt suchten Beamte einer Hundertschaft nach Spuren. Die S-Bahn-Haltestelle Am Wehrhahn ist von zwei Seiten zu erreichen. Der überdachte Zugang an der Ackerstraße in Flingern, wo die Rohrbombe explodierte, ist ein schmuddeliger Ort. Unspektakulär. Auf dem Weg zur Arbeit kam und komme ich täglich dort vorbei, was bis zum 27. Juli 2000 nie eine Rolle spielte. Plötzlich jedoch stand er für etwas, an dem ich beteiligt war. Wir Reporter waren näher an das Geschehen herangerückt. Hatten Interviews mit Rettungskräften geführt und miterlebt, wie Angehörige der Opfer und traumatisierte Zeugen in der katholischen Kirche St. Elisabeth, die gleich neben dem Tatort liegt, Schutz suchten. Schutz vor dem, was gerade passiert war, und vor dem, was noch kommen würde nach dieser Tragödie.

Zehn Menschen, darunter sechs Juden, waren schwer verletzt worden, eine Mutter hatte ihr ungeborenes Kind verloren. Wer war schuld? Rechtsextreme? Organisierte Kriminalität? Im ganzen Land wurde diskutiert, aber auch ein ganzer Stadtteil, Düsseldorf-Flingern, mein Stadtteil, befand sich im Ausnahmezustand.

Es dauerte viele Wochen, bis in dem Durchgang keine Kerzen mehr aufgestellt und Beileidsbekundungen niedergelegt wurden. Noch Tage nach dem Anschlag bin ich regelmäßig zu der Bahn-Passage zurückgekehrt. Vielleicht gab es etwas aufzuspüren, was half, den Täter zu fassen und den Ort, stellvertretend für dieses perfide Verbrechen, wieder heilzumachen. Ein Trugschluss.

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