Am Küchentisch mit . . . Am Küchentisch mit Alexandra Stampler-Brown: „Die Möbel bedeuten mein Zuhause“

Der Küchentisch ist ein Symbol für Kommunikation und Genuss. Die WZ nahm Platz bei Menschen, die etwas zu erzählen haben: Alexandra Stampler-Brown ist Geschäftsführerin der Oper.

Düsseldorf. „Den Österreichern ist der Mund anders gewachsen“, sagt Alexandra Stampler-Brown. Die geschäftsführende Direktorin der Rheinoper beherrscht ihren Job in einem der größten Kulturbetriebe in NRW mit viel Charme. Den bringt sie den 500 Mitarbeitern in Oper und Ballett ebenso entgegen wie den jährlichen 230 000 Besuchern. Eine Allround-Chefin mit juristischen, wirtschaftlichen und musischen Kompetenzen, aber zugleich mit einer munteren Heiterkeit. Ihr „Küchentisch“ beweist, dass diese Frau aus der Steiermark mit ihrem schottischen Ehemann Douglas Brown zu leben und zu genießen weiß.

Drei Jahre wohnt sie nun schon in dem denkmalgeschützten Haus in Oberkassel. Das Datum des Einzugs fiel mit dem deutschen Gewinn der Weltmeisterschaft zusammen. Sie erzählt: „Es war spät abends, und auf einmal brach ein Konzert aus. Deutschland hatte das entscheidende Tor geschossen. Wir besaßen noch keinen Fernseh-Anschluss, wir erfuhren das Ereignis mit den Ohren. Am Belsenplatz stieg eine riesige Open-Air-Party.“

Douglas Brown serviert den Kaffee. Die beiden sprechen Englisch miteinander. Sie haben sich in Edinburgh kennengelernt, wo die Juristin den Master of Business Administration (MBA) machte. Sein Spezialgebiet ist das Kulturmanagement. Sie strahlt: „Ich war seine beste Studentin. Wir haben uns an der Universität kennengelernt.“ Heute lehrt er an Universitäten in Rom und Salzburg. Über dem Tisch hängt ein Kristallleuchter aus Wien. Rund um den Tisch stehen alte, holländische Teak-Möbel aus Jakarta, wo sie 1999 bis 2001 als Juristin und als Geigenlehrerin arbeitete. „Sie stammen aus der Kolonialzeit“, fachsimpelt sie. Auf einem der Schränke steht eine Stabpuppe aus dem indonesischen Schattenspiel, ein Kaspar mit roter Nase. Auch die Seidenvorhänge sind aus dem Inselreich.

Sie habe den gesamten Hausrat im Container von Jakarta nach Österreich und dann nach Edinburgh gebracht, wo sie zehn Jahre lebte, von Edinburgh nach Klagenfurt, wo sie drei Jahre blieb, und nun nach Düsseldorf. „Wir haben die dritte und die vierte Etage gemietet, um alles unterzubringen. Wenn man immer wieder woanders lebt, dann bedeuten diese Möbel das Zuhause. Ich könnte sie nicht zurücklassen“, sagt sie.

Warum Düsseldorf? „Mein Drei-Jahres-Vertrag in Klagenfurt lief aus. Ich wusste nicht, ob ich ihn verlängern sollte, als der Intendant Christoph Meyer anrief und einen Nachfolger für Jochen Grote suchte.“ Ihr Drei-Jahres-Vertrag ist inzwischen um fünf Jahre verlängert. „Bis 2022 gibt es für mich kein Packen. Mein Mann ist auch ganz glücklich“, sagt sie.

Er singt sogar im Extra-Chor der Oper mit, einem Pool von 25 bis 30 Sängern, der die 60 Sänger bei großen Opern unterstützt. Sie erhalten Extra-Proben und stehen erst zum Schluss mit dem Hauschor auf der Bühne. Wenn ihr Mann mitmacht, sei sie immer besonders nervös.

Alexandra Stampler-Brown hat ihren Job natürlich vor der Bühne. Sie muss das Publikum permanent ansprechen, denn nur 40 Prozent der Operngänger sind Stammkunden. Das Gros kommt einmal im Jahr. Doch die Geschäftsführerin will nicht klagen: „Wir haben deren Anschriften und können mit einem speziellen Angebot diese Gruppe erreichen. Vielleicht kommen sie im nächsten Jahr zweimal ins Haus.“

Die öffentlichen Theater kennen nur das Repertoire mit den teuren Umbauphasen, nicht den En-Suite-Betrieb. Könnte die Oper nicht von den Privattheatern lernen? Stampler-Brown winkt ab: „Das kann man mit einem Schauspiel-Ensemble machen, nicht mit der Oper. Wir stecken in einem strengen Konstrukt mit dem Orchester, das auch in der Tonhalle spielt und Gastspiele hat. Wir haben keine Spielräume, noch nicht einmal bei den Proben. Aber wir können auch nicht die Abonnenten dreimal im Monat kommen lassen, nur weil uns das besser passt. Außerdem würde die Stimme der Solisten das nicht mitmachen. Solisten müssen mindestens einen Tag vor dem nächsten Auftritt frei haben.“

Heißt das, dass man ein Erfolgsstück wie die Zauberflöte nicht ausschlachten kann? Die Kulturmanagerin erklärt, es sei kompliziert genug gewesen, diese Inszenierung gegen ein anderes Stück auszutauschen. Der Grund: „Wir haben nur einen Chor, den wir nicht splitten können. Singt er in Duisburg, können wir nicht zeitgleich ein Chorstück in Düsseldorf spielen. Es gibt wenige Opern ohne Chor. Rheingold ist eine ideale Ausnahme.“

Im Schnitt besuchen 1000 Gäste das Düsseldorfer Haus und 800 das Haus in Duisburg. Dabei beobachtet Stampler-Brown verschiedene Mentalitäten: „In Düsseldorf gehen die Leute in die Oper, um einen besonderen Abend zu haben. Sie buchen einen Platz am weiß gedeckten Tisch. Der Abend wird zelebriert, es gibt ja sogar ein Parkhaus mit Operntunnel. In Duisburg mischen sich die Besucher in der Pause in den Foyers und treffen oft zufällig auf alte Bekannte und Freunde.“

Schauspiel-Intendant Wilfried Schulz wunderte sich kürzlich, dass die Theatergänger nicht in die Museen gehen und die Kunstfans nicht ins Theater und Ballett. Hier hat Stampler-Brown sofort eine Antwort parat: „In der nächsten Spielzeit arbeitet Martin Schläpfer mit dem Künstler Ben J. Riepe. Er hat eine eigenständige ästhetische Sprache.“ Das Ballett trete 45 Mal in der Spielzeit auf. Das sei viel angesichts der vielen Gastspiele. Fazit: „Da holen wir das Beste raus“, sagt sie.

Der Etat liegt knapp unter 50 Millionen Euro für beide Häuser. Eingespielt werden sechs Millionen Euro, verdient neun Millionen Euro. Das entspricht einer Eigendeckung von 18 Prozent. Stampler-Brown: „Das ist okay. Wir spielen in der Oberliga.“

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