THeater Als ein Orchester zur Arche Noah wurde

Schüler spielen im Stahlwerk Arthur Millers „Spiel um Zeit“. Ermöglicht wird die Aufführung in Düsseldorf durch die Volksbühne und Fortuna Düsseldorf.

THeater: Als ein Orchester zur Arche Noah wurde
Foto: Michael H. Schmitt-Borken

Düsseldorf. In den Konzentrationslagern der Nazis gab es Musikensembles, darunter ein Mädchenorchester mit jungen Musikerinnen zwischen 15 und 18 Jahren. Der amerikanische Dramatiker Arthur Miller (1915-2005) schrieb um 1980 zu diesem Thema das Drehbuch für den Film „Playing for Time“ — „Spiel um Zeit“. Es geht ums Überleben im KZ Auschwitz als Unterhaltungskünstler der Mörder. Jetzt gastiert eine Schülergruppe aus Borken mit einer Bühnenfassung im Stahlwerk an der Ronsdorfer Straße.

THeater: Als ein Orchester zur Arche Noah wurde
Foto: Michael H. Schmitt-Borken

„In dem Orchester haben Mädchen auf Strumpfhosen gespielt oder mit Trompeten ohne Ventile“, sagt Regisseur und Opernsänger Sascha Dücker über die Überlebensstrategie im Mädchenorchester. Das Orchester habe Schutz gewährt. Täter wie der KZ-Arzt Josef Mengele seien hungrig nach Kultur gewesen. Man habe Konzertveranstaltungen — und waren sie noch so schlecht — als Labsal und Erholung von der Arbeit im Vernichtungslager empfunden. Tatsächlich hätten die meisten Mädchen im Orchester das KZ überlebt. Wirklich grün seien sie einander allerdings nicht gewesen. „Jüdinnen und Sozialistinnen dachten teilweise, dass nur sie selber zu Unrecht im KZ saßen“, sagt der Regisseur. Bis heute würden einige hoch betagte Damen, die damals im Mädchenorchester saßen, übereinander die Nase rümpfen.

Die Schauspieler und Musiker, die nun bei der Produktion mitwirken, stammen alle vom Gymnasium Mariengarden in Borken. Der Regisseur zeigt sich zufrieden mit seinen Darstellern: „Sie alle haben viel Leidenschaft und Arbeit investiert, und das merkt der Besucher auch“, sagt Dücker. „Die Intensität des Schauspiels geht förmlich auf einen über und man ist direkt von den Protagonisten gefesselt.“

Das Stück gilt nicht nur wegen seines Themas als schwere Kost, sondern auch die Umsetzung birgt Schwierigkeiten: Immerhin 37 Darsteller werden für die Realisation benötigt. Zudem müssen die meisten Schauspieler musizieren können und noch ziemlich jung sein. Da bot sich als Ensemble die Theatergruppe einer Schule geradezu an. Das Junge Ensemble Mariengarden gehört zu einem privaten Gymnasium der Oblatenmissionare. Die Förderung anspruchsvoller Freizeitaktivitäten zwischen Sport und Kultur spielt dort eine große Rolle.

Ermöglicht wird die Aufführung in Düsseldorf durch die hiesige Volksbühne und den Sportverein Fortuna. Vertreter beider Vereine haben die Inszenierung in Borken bereits gesehen und zeigen sich fasziniert und bewegt von der Aufführung. „Mit unserer Unterstützung wollen wir ein Zeichen setzen, dass der Verein neben dem Fußball auch eine soziale und gesellschaftliche Verantwortung trägt“, sagt Robert Schäfer, Fortuna-Vorstandsvorsitzender. „Mit der Deportation unseres ehemaligen Gremium-Mitglieds Waldemar Spiehr waren wir in der Historie ebenfalls von diesem Thema betroffen und wollen damit auch an diese Unmenschlichkeit erinnern.“

Das Junge Ensemble Mariengarden ist unterdessen mehr als eine Theater-AG. Die Ensemblemitglieder verpflichten sich in den letzten Jahren der Oberstufe, Schauspiel und Theater in den Mittelpunkt ihrer Freizeitgestaltung zu stellen. Der Probenaufwand gilt als immens. Und die Inszenierungen werden regelmäßig vom Stadttheater Borken in den Spielplan integriert. Auch andernorts gastiert das Ensemble regelmäßig — nun auch hier.

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