Ärzte sind im Netz ihren Patienten ausgeliefert

Wer per Internet einen Arzt sucht, findet oft beleidigende Kommentare von Patienten. Die Mediziner können sich kaum wehren.

Düsseldorf. Wer per Internet einen Arzt sucht, braucht nicht lange. Einmal bei Google den entsprechenden Suchbegriff eingeben — etwa Chirurg oder HNO — und schon werden alle passenden Arztpraxen im angezeigt.

Nicht nur das: Kritische Patienten-Kommentare werden gleich mitgeliefert. Ungeschminkt und ungefiltert wird berichtet, was man erlebt hat. Manche Autoren schießen über das Ziel hinaus und werden beleidigend.

Da wird ein Arzt in der Innenstadt als „arrogant“ bezeichnet, über einen Arzt in Wersten heißt es unverblümt: „Hier lohnt sich nicht mal der Anruf.“ Begründung: Die Sprechstundenhilfe hatte keinen baldigen Termin frei. Oft gibt es Ärger, weil sich Kassenpatienten benachteiligt fühlen.

Ansonsten gibt es häufig Klagen über Massenabfertigung, dreckige Praxisräume, unfreundliche Helferinnen, voreilige OP-Empfehlungen, unnötige Untersuchungen oder generelles Stümpertum.

Obgleich auch positive Bewertungen möglich sind, überwiegen die schlechten. Das Problem: „Wer sich gut behandelt fühlt, genießt und schweigt“, sagt Gynäkologin Anna Fossari.

Auch sie wurde im Internet angegriffen — ein Patient hat sich im Netz sogar bitterböse über die Dekoration in ihrer Praxis beklagt. „Das ist ärgerlich. Schlimmer ist es, wenn die Kompetenz angezweifelt wird. Besonders, weil Laien die Leistung oft gar nicht einschätzen können. Machen kann ich nichts.“

Das bestätigt Dirk Schulenburg, Jurist der Ärztekammer Nordrhein. Er berät Ärzte, die sich zu Unrecht schlecht bewertet fühlen: „Im Fall des Lehrerbewertungsportals Spickmich.de hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass öffentliche Bewertungen erlaubt sind. Das gilt auch für Ärzte.“

Also sind Mediziner machtlos? „Wenn die konkreten Inhalte unwahr oder beleidigend sind, könnte der Arzt dagegen vorgehen.“ So etwa der Unterbilker Facharzt, über den antisemitische Ressentiments verbreitet werden. Doch die Erfolgschancen sind überschaubar, meint Schulenburg. Denn: Es sei schwierig, an die Autoren bzw. die Betreiber der Portale, die häufig im Ausland sitzen, heranzukommen.

Besonders ärgerlich ist es, wenn die Klagen auf einem Missverständnis beruhen. Das passiert Augenarzt Eckhard Roth häufiger. Ihm wird vorgeworfen, dass er seinen Patienten keine Rezepte mehr mitgibt und sie so zwingt, im eigenen Brillengeschäft zu kaufen. „Dabei ist es so, dass die Krankenkassen sich nicht mehr an einer Brille beteiligen. Es gibt also keine Rezepte mehr. Die Einstellung der Brille nimmt der Optiker vor“, erklärt er.

Er hat auch schon beobachtet, dass sich Konkurrenten gegenseitig im Netz schlecht machen: „Das ist natürlich peinlich.“ Als er sich einmal weigerte, einen Patienten zwei Tage krank zu schreiben, gab es noch am gleichen Tag eine schlechte Bewertung: „Anhand der geschilderten Symptome bin ich mir ziemlich sicher, dass er es war.“

Roth und Fossari lassen sich vom Unmut mancher Patienten nicht verrückt machen. „Man kann gar nicht einschätzen, wie sehr so etwas schadet. Ich weiß ja nicht, wie voll meine Hütte wäre, wenn ich nur gute Bewertungen hätte.“ Sie setzen auf Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener Patienten.

Wenn ein Patient sich tatsächlich falsch behandelt fühlt, sei eine schlechte Bewertung im Internet ohnehin nicht der richtige Weg, sagt der Jurist: „Eine Beschwerde bei der Ärztekammer ist da angebrachter.“

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