Abhängigkeit: „Mein ganzes Leben hat sich ums Spielen gedreht“

Peter Krefting war 25 Jahre lang spielsüchtig. 250 000 Mark hat er verzockt, verlor fast seine Familie. Dann stieg er aus.

Düsseldorf. Blinkende Lichter haben das Leben von Peter Krefting (Name geändert) 25 Jahre lang beherrscht — und es fast zerstört. Der Elektroniker aus Düsseldorf war glücksspielsüchtig. Er verspielte alles, was er hatte — und noch einiges mehr. Auch seine Familie hätte er um ein Haar verloren. Zum bundesweiten Aktionstag gegen Spielsucht am Mittwoch berichtet der 54-Jährige über seinen schweren Weg heraus aus einem Leben für den ständigen gefährlichen Nervenkitzel.

Wie viele junge Menschen probierte Krefting die Spielerei als Jugendlicher aus . „Die Lichter der Automaten ziehen an — und dann kommt das Glücksgefühl“, erinnert sich der einstige Spieler. Man gewinnt, macht weiter, dann verliert man — und will den Verlust wieder rausholen. „Irgendwann habe ich an 18 Automaten gleichzeitig gespielt. Ich hatte das Gefühl, sie manipulieren zu können. Aber sie haben vielmehr mich kontrolliert.“

Irgendwann reichten die blinkenden, klimpernden Automaten nicht mehr. Krefting ging ins Casino, auf die Pferderennbahn. Er erinnert sich an einen Tag, als er im ersten Rennen fast 25 000 Mark gewann — und damit sofort ins Casino fuhr, um so lange zu spielen, bis der Gewinn restlos verzockt war. Vorher hatte er keine Ruhe. Dann begann er, illegal zu spielen. Tausend Mark auf den Tisch, jeder Spieler nennt eine Zahl, vorher legte jemand geheim fest, ob die höhere oder die niedrigere Zahl gewinnt. Hoch-tief heißt das Spiel. Simpel und schnell gehen gigantische Summen über den Tisch — während darunter die Waffen lauern. Krefting: „Das ist Wahnsinn. Illegal spielen ist das Gefährlichste überhaupt.“

Freundschaften, seine Familie — nichts interessierte Krefting mehr wirklich. Sein einziger Verbündeter war das Spiel. „Mein ganzes Leben hat sich ums Spielen gedreht.“ Die Menschen um ihn herum waren nur noch Figuren, die er wie den Automaten manipulieren musste, um Geld aus ihnen herauszuquetschen, immer wieder.

Als er auf allen Kreditkarten das Maximum an Dispo ausgereizt hatte, Kredite nicht zurückzahlen konnte, die Eltern ihm nichts mehr gaben, fror die Bank seine Konten ein — und seine Lebensgefährtin öffnete den Brief. Sie stellte ihn vor die Wahl: Mit ihrer Unterstützung sofort aufhören oder weiterspielen und sie und die Kinder niemals wiedersehen. Krefting wählte klug. Er suchte sich Hilfe in der Selbsthilfegruppe der Diakonie. Bis heute geht er jede Woche zu den Treffen. Seit 16 Jahren.

250 000 Mark hat er in seinem Leben verzockt. In den ersten drei Jahren nach seinem Ausstieg arbeitete er von 24 Stunden am Tag 20, zahlte seine Schulden zurück — sein Geld teilte die Freundin ein, für jede Ausgabe musste Krefting ihr Quittungen vorzeigen. Er mied jede Kneipe, spielte nicht mal mehr Mau Mau mit seinen beiden Kindern. Bis heute fährt er Umwege zu seiner Schwester, um nur ja nicht an der Rennbahn vorbeizukommen. Der heute 54-Jährige hatte Glück, eine starke Frau an der Seite und letztlich die nötige Portion Willenskraft, um seinen größten Einsatz — seine soziale Existenz — im letzten Moment vom Tisch zu nehmen.

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