„Uns fehlt die Subkultur“

Interview: BBDO-Kreativchef Ralf Zilligen über Düsseldorfs Stärken, Schwächen und Fortuna

<strong>Düsseldorf. Ralf Zilligen ist Kreativ-Chef bei BBDO. Deutschlands größte Werbeagentur hat in der Bahnstraße gleich an der Kö ihren Hauptsitz, 1000 Mitarbeiter sind in Düsseldorf beschäftigt. Beim Werbefestival in Cannes zeigte sich BBDO erstarkt und war mit sieben Löwen das kreativste deutsche Netzwerk. Unter Führung von Zilligen werden Kunden wie Smart, Dr. Oetker, Braun oder Bayer betreut, aber auch lokale Marken wie Fortuna Düsseldorf oder die Aids-Hilfe. 2006 wuchs BBDO um zehn Prozent und erreichte damit das beste Ergebnis der Firmengeschichte. Zilligen ist Fußball-Fan, im Büro hängt der Schal der Fortuna neben dem des FC Köln, an der Wand lehnen Bilder mit Jogi Löw (eine Kampagne für die Metro) oder vom Geheim-Kick in der Arena mit Robbie Williams (ein Vergnügen für sich selbst).

WZ: Herr Zilligen, wann haben Sie zuletzt etwas Kreatives abseits der Agentur erlebt?

Zilligen: Das war beim Fußball auf der Rheinwiese. Ich habe das dritte Tor für uns vorbereitet.

WZ: Und in Düsseldorf ?

Zilligen: Die Idee des Einkaufens bei Nacht in Flingern war für mich ein absolut kreatives Erlebnis, die Stimmung war zauberhaft. So etwas könnte es in Düsseldorfer ruhig noch öfter geben. Das Zweite in dieser Hinsicht war die Eröffnung von Julia Stoscheks Privatmuseum und der Samstagnachmittag an der Bar Olio am Derendorfer Güterbahnhof. Die Leute, die dort herumlaufen, sind klasse, das Klima ist inspirierend. Es gibt nicht so viele Kristallisationspunkte dieser Art in der Stadt.

WZ: Welche denn noch?

Zilligen: Auch wenn es da Pro und Contra gibt: die Altstadt. Ich liebe den Carlsplatz wegen seiner Vielfalt. Und: Ich mag den Hafen und seine Architektur. Und natürlich Flingern, wo ich lebe.

WZ: Was schätzen Sie dort?

Zilligen: Die Nachbarschaft. Sie ist großstädtisch, aber auch dörflich - ohne provinziell zu sein. Dörflich im Sinne von "man kennt sich, empfindet Nähe zu den Menschen". Flingern ist bunt, da laufen Arbeiter herum, Familien, Künstler, Türken, die eine Musik hören, die ich nicht kenne, aber gut finde. Da sind Läden, wo ich Dinge kaufen kann, die ich anderswo vielleicht nicht bekomme. Diesen Facettenreichtum gibt es vielleicht noch in Oberbilk.

WZ: Düsseldorf hat sich ehrgeizig entwickelt, ist eine wachsende Stadt. Wo steht die Kommune in der Bundesliga der Städte?

WZ: Was fehlt?

Zilligen: Eindeutig die Subkultur. Sie fördert ja Innovation. Düsseldorf hat da ein deutliches Defizit und ist deswegen nicht so attraktiv für junge Menschen, sondern eher für etablierte. Was früher der Ratinger Hof war und die Kunstakademie, das fehlt - da ist Stagnation eingetreten. Da sind Städte wie Berlin und Hamburg bedeutend führend.

WZ: Gibt es eine Marke Düsseldorf?

Zilligen: Das einzige, was Düsseldorf international wirklich markiert, ist der Ruf als Modestadt. Die Frage muss also eher lauten "Braucht Düsseldorf eine Marke", und da sage ich ganz klar ja. Der Wettbewerb mit andern Städten und Regionen wird an Schärfe zunehmen, um Touristen und um Unternehmer.

WZ: Aus welchen Attributen lässt sich denn eine Marke entwickeln?

Zilligen: Ich beobachte Begeisterungs- und Lebensfreude. Das hört sich nach Klischee an, ist aber so. Besuchern aus dem Ausland fällt sofort auf, wie warmherzig und freundlich die Leute hier sind. Und Düsseldorf ist extrem offen für Neues und kreativ. Es gibt wohl keine andere Stadt, wo auf so wenigen Quadratkilometern so viel erdacht wird.

WZ: Kann man mit Marketing, etwa mit Ski-Cup und Stadtrennen, den touristischen Wert einer Stadt erhöhen?

Zilligen: Das geht. Völlig unabhängig davon, ob man so etwas mag oder nicht, erhöhen die Angebote die externe Attraktivität.

WZ: Was bringt Düsseldorf-Werbung in New York City?

Zilligen: Auch Amerikaner informieren sich darüber, wo sie hinfahren. Ich habe in New York selbst diese Erfahrung gemacht. Bei einer Unterhaltung im Museum of Modern Art sagte ich, dass ich aus Düsseldorf komme. Ach, die Stadt von Andreas Gursky, lautete der Kommentar. Die Kunstszene ist in den USA ein Begriff. Wir sollten unser Licht nicht immer unter den Scheffel stellen.

WZ: LTU-Chef Jürgen Marbach hat in der WZ erklärt, er hätte am liebsten zwei Monkey Islands, schließlich müsse man internationalen Gästen auch etwas bieten. Sehen Sie das auch so?

Zilligen: Ein einziger richtiger Strand würde mir schon reichen. Wir haben ja gesehen, was Monkey’s für die Stadt getan hat. Der Strand-Club ist hier erfunden worden. Diese Erlebniskultur passt zur Stadt. Am besten ist es ohnehin, Ideen zu entwickeln und sie exportfähig zu machen. Wenn man dann kopiert wird, ist das die schönste Form der Anerkennung.

WZ: Wenn Sie über ein Autorennen in Düsseldorf zu entscheiden hätten: Würden Sie es durchführen?

Zilligen: Es würde mir nicht als erstes einfallen, aber das sagt nichts über die Qualität aus.

WZ: Wovon würden Sie denn träumen - als Aushängesschild?

WZ: Sie machen die Werbung für Fortuna. Wie schwer fällt das mittlerweile?

Zilligen: Wenn ich die Qualität der Werbung von der Zuschauerzahl abhängig machen würde, dann würde es sicherlich schwerer fallen.

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