50 Jahre Garath: „Das erste Jahr war eine Schlammschlacht“

Hartmut Fischer gehört zu den ersten Neusiedlern. 1963 bezog er mit Frau und Kindern sein neues Haus.

Düsseldorf. Drei Jahre waren nach dem ersten Spatenstich von Garath vergangen, als der junge Familienvater Hartmut Fischer sein neues Eigenheim an der Johannes-Radtke-Straße in Garath Nord-West beziehen konnte. Befragt nach seinen Erinnerungen an die erste Zeit in Garath, antwortet der heute 82-Jährige spontan: „Matsch und Schlamm — es war ein harter Winter.“ Und fährt fort: „Eigentlich sollten wir schon im November, Dezember einziehen, aber die Fertigstellung unserer Häuser verzögerte sich.“ Es wurde ein Weihnachtsfest auf gepackten Koffern.

Am 3. Januar 1963 war es soweit: Der Umzugswagen stand mitten in einer Riesenpfütze vor dem Haus. Und nicht nur das: Auch die Garage, die sogar vor dem Haus fertig wurde, konnte er nicht benutzen, denn davor lagen Erdhügel. Manchmal war es so matschig, dass die Kinder mit ihren Gummistiefeln im Erdreich stecken blieben.

Selbst die Hauptstraße, die Peter-Behrens-Straße, war noch nicht asphaltiert, sondern wegen der Baufahrzeuge nur mit einer Schotterschicht versehen. „Die Asphaltdecke kam erst Monate später, aber inzwischen hatten die Laster so viel Schlamm in den Schotter gedrückt, dass einige Jahre später die Straßendecke Risse bekam und vollständig erneuert werden musste“, berichtet Fischer, von Beruf Straßenbauingenieur — und somit vom Fach. Im zweiten Bauabschnitt hat man aus den Fehlern gelernt und zuerst die asphaltierte Straße fertiggestellt — auch wenn sie ständig verdreckt wurde.

Der Kampf gegen Matsch und Schlamm begleitete die Fischers die ersten Jahre. Der schöne Garten, in dem derzeit die ersten Schneeglöckchen hervorgucken und in dem sich die zehn Enkelkinder nach Herzenslust austoben können, glich damals nach starkem Regen einer Seenlandschaft. Fischer musste erst eine Sickergrube bauen und Rohre in die rund eineinhalb Meter unter dem Boden liegende Kiesschicht treiben, um den Garten überhaupt trocken zu bekommen.

Was für die Eltern ein Ärgernis war, bedeutete für Fischers älteste Söhne Witolf und Falk ein großes Abenteuer. „Wir haben zum Beispiel die Milchflaschen der Nachbarn im Schlamm versteckt“, erinnert sich Witholf Fischer, der heute in Hellerhof wohnt, an seine ersten Jungenstreiche. „Es gab so viele Kinder in den Stadtteil, dass sich bald Cliquen bildeten.“ Eine traf sich gerne in Fischers Garten. Die große Attraktion war eine Zinkbadewanne, in der die Jungs bei der Oma in Oberkassel gebadet wurden. Nun wurde sie von allen Nachbarskindern als Rutsche zweckentfremdet.

„Es war eine schöne Kindheit und Jugend“, sagt der 52-Jährige. Grundschule und Gymnasium waren zu Fuß zu erreichen, beim Konfirmandenunterricht in der benachbarten Kirche lernte man die erste Freundin kennen, später wurden im elterlichen Keller Partys gefeiert. Die einzige Negativerfahrung, an die er sich erinnern kann, ist ein Zusammenstoß mit einer Rockergruppe während seiner Konfirmandenzeit. „Ich habe es nie verstanden, weshalb Garath in der Stadt so einen schlechten Ruf hat“, sagt der Volkswirtschaftler. Es gibt Sportangebote, alle Schulen sind fußläufig zu erreichen und die Freizeitstätte bietet ein gutes Kulturangebot. Wem das nicht reicht, ist mit der S-Bahn in 16 Minuten in der Innenstadt.

Diese Vorzüge lockten ihn wieder in die Heimat zurück. Nach Abstechern nach Köln und Essen ließ er sich im Stadtsüden nieder — zwar nicht in Garath selbst, sondern in der kleinen Schwester Hellerhof. Wie viele andere auch, die einst in Garath Kinder waren.

An der guten Infrastruktur im Stadtteil hatten nicht nur die Planer, sondern auch Menschen wie Hartmut Fischer großen Anteil. Sie gründeten die Bürger- und Interessengemeinschaft Garath (kurz BIG), einen Sportverein, einen Schützenverein und einen Heimatverein.

„Dabei hat alles mit dem Ärger über ungerechte Heizkosten angefangen“, erinnert sich Fischer. Denn damals wurde der Warmwasserverbrauch der Eigenheime sowohl über eine Pauschale wie auch über den Verbrauch abgerechnet. Die ersten Proteste gegen diese Abrechnung gab es 1964, zwei Jahre später veränderten die Stadtwerke den Abrechnungsmodus.

Aus diesem „Warmwasserverein“ wurde 1966 die Bürger- und Interessengemeinschaft Garath. Ihre Mitglieder waren meist junge Eltern, die nach einer Beschäftigung für ihre Kinder suchten. Der damalige Schulrektor Gerhard Meyer bevorzugte musische Angebote, Fischer eher den Sport. Erste Sportangebote waren ab 1967 in der Turnhalle an der Emil-Barth-Straße möglich, doch keiner der etablierten Sportvereine aus Benrath und Urdenbach wollte die Schirmherrschaft für das Angebot übernehmen. Durch die vielen Kinder würde es zu unübersichtlich, so die einhellige Meinung.

Also gründet Fischer mit drei Gleichgesinnten einen eigenen Sportverein. 400 Mitglieder meldeten sich an den ersten beiden Tagen an, zu Hochzeiten hatte der Garather Sportverein (GSV) knapp 2500 Mitglieder. Die Befürchtung der Urdenbacher und Benrather Vereine, dass die Garather sie bald überflügeln würden, hatte sich bewahrheitet. Und zwar nicht nur zahlen-, sondern auch leistungsmäßig. Denn zehn Jahre später gehörten einige junge Vereinsmitglieder zur deutschen Sportlerelite. Die Leichtathletin Sabine Everts kam sogar 1984 zu olympischen Ehren.

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