Burscheid Wenn Engel in den Ruhestand gehen

Margit Theimann-Weiler und Marion Schäfer wurden am Freitag aus dem Dienst im Kinderheim verabschiedet. Sie blicken auf Bewegendes zurück.

Burscheid: Wenn Engel in den Ruhestand gehen
Foto: Doro Siewert

Burscheid. Es war einfach an der Zeit. Die Geduld und die Energie, die nötig sind, um wichtige Herausforderungen zu meistern, ließen nach. Selbst die Kraft in den Beinen war nicht mehr so da wie früher. Die Treppen hochzusteigen, fiel immer schwerer. Margit Theimann-Weiler zog ihre Konsequenzen: Die Leiterin des evangelischen Kinderheims ging in den Ruhestand. Sie wolle nicht weinen, sagte sie.

Marion Schäfer konnte dieses Versprechen nicht einhalten. Die Tränen kamen der ehemaligen Köchin des Kinderheims, als Margit Theimann-Weiler vom runden Geburtstag der Einrichtung erzählte. Ein einstiger Bewohner der Villa Kunterbunt stellte sich vor das Publikum und erzählte, wie ihn die Zeit im Heim geprägt hatte. Dass er es ohne das Team um Margit Theimann-Weiler niemals dorthin geschafft hätte, wo er jetzt als erwachsener Mann ist. Dass er seitdem wisse, dass es Engel gibt. Marion Schäfers Augen wurden feucht. Sie konnte die Tränen nicht halten, wenn sie an diesen emotionalen Moment dachte. Die Kinder waren beiden Frauen ans Herz gewachsen. Sie nannten sie „unsere Kinder“, wohl wissend, dass sie nichtsdestotrotz eine gewisse Distanz zu ihren Schützlingen halten müssen. Sonst könne man den Job nicht machen.

Die Kinder, teils wenige Monate erst alt, kommen aus schwierigen Familienverhältnissen. Wenn Außenstehende mitleidig sagten, dass es arme Kinder wären, widersprach Theimann-Weiler immer.

Niemand komme ohne Grund in die Villa Kunterbunt. Hier sollen die Kinder Schutz, Geborgenheit und Verlässlichkeit erfahren. Sie sollen unbeschwert aufwachsen können. „Die Kinder dürfen unter den Schicksalen nicht leiden“, sagte Margit Theimann-Weiler. „Sie lernen hier die Grundwerte, die ein Kind eigentlich in der Familie lernen sollte.“ Halt ist das Wichtigste. Wie in einer Großfamilie, sagte Marion Schäfer. So werde die Einrichtung auch wahrgenommen. „Ein Flüchtling sagte mal zu mir: Bist du reich! Großes Haus, viele Kinder!“, erzählte sie und lachte. Ja, das Haus hat seinen Charme.

Elf Kinder finden dort derzeit einen Rückzugsort. Es wirkt heimelig, was das eine oder andere Kind auch zu Gedankenspielen anregte. Ganz forsch baute sich mal ein Sechsjähriger vor Margit Theimann-Weiler auf. „Hör mal...“, fing er an. „Willst du nicht mal arbeiten gehen, statt den ganzen Tag hier zu sitzen?“ Das blieb in freudiger Erinnerung.

Marion Schäfer hätte immer das beste Mittel gehabt, um die Mädchen und Jungen zu Fleiß anzuspornen, sagte ihre langjährige Weggefährtin. Marion Schäfer ließ Kinder mit guten Schulnoten das Abendessen aussuchen. Wer eine Drei in einer Klassenarbeit bekommen hatte, durfte den Nachtisch aussuchen, bei einer Zwei stand die Vorspeise zur Wahl. „Und bei einer Eins durften die Kinder alle Gänge bestimmen“, erzählte Margit Theimann-Weiler. Marion Schäfer nickte. So war das die vielen Jahre über.

Für die Köchin schien diese Zeit schon lange vergangen. Durch eine Knie-Operation fiel sie mehrere Wochen aus. 33 Jahre lang arbeitete sie im Kinderheim. Dass es nun vorbei sein würde, realisierte sie erst wenige Tage vor dem Abschiedsgottesdienst in Hilgen. Eine Situation führte es der 63-Jährigen besonders prägnant vor Augen. Ihr Ehemann wollte Urlaub buchen, woraufhin sie sagte, sie müsse den Urlaub erst einreichen. „Schatz, das brauchst du nicht mehr“, so lautete die liebevolle Erinnerung.

Margit Theimann-Weiler hätte nicht gedacht, dass sie es könnte. Gehen. Doch am Freitag saß sie gelöst in einem Aufenthaltsraum der Villa Kunterbunt und erzählte, von ihrer stringenten Biografie und davon, was sie jetzt beschäftigen wird. Viel gebe es zu Hause zu tun. Pflegekinder hat sie auch. Margit Theimann-Weiler genießt es, sich spontan mit Freundinnen zum Kaffee zu treffen. Oder mal mit eines der Heimkinder zu einem großen Spielwarengeschäft zu fahren. „Ich habe immer gerne gearbeitet. Ich habe durch den Ruhestand nicht nur verloren“, sagte die 64-Jährige. „Ich habe auch gewonnen.“

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