Burscheid So fühlt sich eine Depression an

Die Ausstellung „Grenzen erleben“ auf Gut Landscheid bringt den Besucher direkt in die Situation, psychisch krank zu sein.

Burscheid: So fühlt sich eine Depression an
Foto: Doro Siewert

Burscheid. Es brummt im Ohr, ein bassiger, dunkler Ton ist durchgehend zu hören, während ich mit einer 20 Kilo schweren Bleiweste in einem dunklen, schlauchartigen Raum sitze. Es ist eng. Das Gewicht zieht mich herunter. Die Stimmen, die über den Ton gesprochen sind, noch viel mehr. Sie sprechen von Sinnlosigkeit, Selbstzweifeln, Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit — in Endlosschleife. Bis ich aufgefordert werde, zum Tisch am Ende des Raumes zu gehen und etwas Positives aufzuschreiben. Während die Stimmen weiter an mir nagen, schreibe ich mir selbst einen Ausweg aus dem gefühlten Gefängnis.

Das könne aber nicht viele so einfach. Denn mein Ausschnitt vom Leben mit einer Depression ist nur Teil einer Ausstellung auf Gut Landscheid. In Deutschland leiden rund vier Millionen Menschen an einer Depression. Einige von ihnen haben die Ausstellung mitkonzipiert, die jetzt ihren Weg von Traunstein an der österreichischen Grenze nach Burscheid gefunden hat.

Verantwortlich dafür ist Acar Sar, Projektkoordinator des Bündnisses gegen Depression im Rheinisch-Bergischen Kreis. „Viele tun Depression ab“, sagt er, „sagen: ,der hat einen an der Kappe’. Die Ausstellung soll Nicht-Betroffene sensibilisieren für die Krankheit. „Die Schau kann aber nur Teilbereiche der Depression zeigen“, sagt Sar. Ein Raum kann eben nicht das ganze Leid eines Betroffenen aufzeigen.

Gleiches gilt für den Psychoseraum - eine Art Supermarkt, der sich mit dem Thema Schizophrenie beschäftigt. Die Regale sind mit Waren gefüllt. Ich bekomme einen Einkaufszettel in die Hand und Köpfhörer aufs Ohr. Die Aufgabe: Den Einkauf erledigen. Kein Problem — wären da nicht die Stimmen im Ohr, die mich vor dem „Mann mit Hut“ warnen oder mir sagen, dass ich infiziert werde, wenn ich die Tüte Milch anfasse. Konzentrieren? Unmöglich.

Gleichzeitig sind die Helfer von Acar Sar in weißen Kitteln und Sonnenbrillen immer im Weg. Sie blockieren mich, legen Dinge aus anderen Einkaufswagen in meinen oder etwas aus meinem heraus. Eine unangenehme Stresssituation entsteht — während alle Teilnehmer weiter versuchen, ruhig einzukaufen. Der Stress ist in mir drin, nicht im Raum. Ich bin alleine damit. So könnte es sich anfühlen, wenn man psychisch krank ist.

Die Ausstellung vermittelt Eindrücke von Krankheiten, statt nur darüber zu informieren. Ruth Holl vom Verein Die Kette aus Bergisch Gladbach, die als Besucherin mit mir durch das Supermarkt-Szenario gegangen ist, sagt, sie habe bemerkt, wie sie angefangen habe, sich komisch zu verhalten. „Ich habe angefangen, meinen Einkaufswagen abzuschirmen“ — etwas, das sie von Betroffenen kenne. Sie findet die Ausstellung sehr gut nachvollziehbar, sehr gut gemacht.

Auch Acar Sar, der die Ausstellung hier hergebracht hat, hatte sie bis zum Tag des Aufbaus nicht gesehen. „Die beiden Räume selbst zu erleben hat mich in der Entscheidung bestärkt, die Ausstellung hergeholt zu haben“, sagt er.

Zusätzlich zu den beiden Räumen, die einen jeweils 15 Minuten in die Welt von Depression und Psychose eintauchen lassen, gibt es noch einen Infofilm - und bis die Ausstellung am Dienstag, 10 Januar, schließt, täglich zwischen 13 und 14 Uhr einen Fachvortrag. So kann man die Krankheiten nicht nur erleben, sondern auch etwas lernen. Ohne Stress und fremde Stimmen im Kopf..

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