Schwieriges Ringen um einen Kompromiss

Auch die Betriebsversammlung hat den FM-Mitarbeitern die Ungewissheit nicht nehmen können.

Burscheid. Ein Menschenstrom zieht am Mittag über das Gelände von Werk 2. Das Ziel: die Containerhalle, wo für 13 Uhr eine weitere Betriebsversammlung zur Situation bei Federal-Mogul angesetzt ist.

Der 1. Bevollmächtigte der IG Metall, Witich Roßmann, wird später von der eindrucksvollsten Versammlung sprechen, die er bisher erlebt habe. Und mit Blick auf die abgesagte Demonstration auf dem Marktplatz: "Das war heute unsere Kundgebung."

Betriebsrat und IG Metall auf der einen Seite, die Geschäftsführung auf der anderen, erläutern der Belegschaft ihre Positionen. Noch ist eine Übereinkunft nicht erkennbar, aber auch das Tischtuch nicht zerschnitten. Und in der hochemotionalen Situation vernimmt die Belegschaft dabei auch manche Widersprüchlichkeit.

Der Betriebsratsvorsitzende Michael Bergmann fordert, die sich wohl bald bietende Möglichkeit zu 24 Monaten Kurzarbeit voll auszuschöpfen, "ohne Mitarbeiter zu entlassen", dazu maximal Qualifizierungsmaßnahmen.

Er verweist auf die von der Gewerkschaft gebildete Tarifkommission und deren Forderung nach einem Sozialtarifplan. Er nennt Eckdaten, zum Beispiel "mindestens 25000 Euro Abfindung". Und er sagt: "Wir werden weiter kämpfen, notfalls auch mit Warnstreiks."

Roßmann ist mit der Streikdrohung zurückhaltender. Die Tarifkommission sei eine Retourkutsche auf die harsche Haltung der Geschäftsführung zur geplanten Demonstration gewesen. Er sieht "gemeinsamen Gestaltungswillen". Heute sollen in weiteren Verhandlungen die unterschiedlichen Konzepte konkretisiert werden. Am Montag ist schon der nächste Verhandlungstag angesetzt. Auch Bergmann sagt, er glaube an einen Kompromiss.

Die Geschäftsführung, vertreten durch Michael Hedderich und Karsten Evers, nimmt für sich in Anspruch, nicht leichtfertig mit den Arbeitsplätzen umzugehen. Man habe sich auch in der Vergangenheit immer bemüht, die deutschen Standorte zu stärken, und es habe keine Verlagerungen in Billiglohnländer gegeben.

Während Bergmann von 300 bis 600 gefährdeten Arbeitsplätzen spricht, heißt es auf der Arbeitgeberseite, es gehe um maximal 300 Stellen. Aber Gewerkschaft und Betriebsrat wollen zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht über Stellenabbau reden, sondern setzen auf Kurzarbeit bis Herbst 2010. Erst dann sollen Kündigungen ausgesprochen werden, falls sich die wirtschaftliche Lage bis dahin nicht gebessert hat.

Roßmanns Vorstellung: "Wir bieten an, dass wir schon jetzt einen Interessenausgleich verhandeln, der dann Kündigungen gegen Abfindung aus dem Sozialplan erlaubt. Dann hätte der US-Konzern auch seine geforderte Rechtssicherheit für den schlimmsten Fall." Bis dahin könnten freiwillige Aufhebungsverträge abgeschlossen werden.

Die Geschäftsführung sieht dagegen nicht nur konjunkturelle, sondern auch strukturellen Änderungen. Der Trend zu kleineren Motoren und Benzinern sorge dauerhaft für Auftragsrückgänge. Daher soll die Belegschaft schon heute über Transfergesellschaften reduziert werden.

Ein schwieriges Verhandlungsfeld - und Mitarbeiter, denen auch nach der fast zweistündigen Versammlung die Ungewissheit nicht genommen war.

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