Praxisgebühr abschaffen? Auch Burscheid diskutiert

Große Zustimmung in der Bevölkerung, aber die Ärzte in der Stadt sind uneinig.

Burscheid. Die Rekordüberschüsse bei den Krankenkassen sprechen dafür. In der Koalition wird die Abschaffung der 2004 eingeführten Praxisgebühr schon lange diskutiert. Und auch in Burscheid wird über den möglichen Wegfall der Zehn-Euro-Abgabe und ihre Folgen gesprochen. Die Patienten wollen nicht mehr zahlen, das zeigen alle Umfragen. Die Meinungen unter den Experten — den Ärzten in der Stadt — gehen aber auseinander.

„Ein klares ,Ja’ zur Abschaffung“ gibt es von Barbara vom Stein. Die Hausärztin und Vorsitzende der Ärztekammer des Rheinisch-Bergischen Kreises sieht hinter der Praxisgebühr vor allem einen „bürokratischen Akt“. Mindestens eine Minute pro Patient dauere es, nur die Gebühr zu erheben, den Beleg auszustellen und die Zahlung zu verwalten. „Bei mehreren tausend Patienten im Quartal, kann man sich ausrechenen, wie viel Arbeitszeit dadurch gebunden wird“, sagt Barbara vom Stein.

Die von der Politik erhoffte Steuerungsfunktion — Patienten müssen zunächst zum Hausarzt und Fachärzte würden dadurch entlastet — sei sowieso nie eingetreten und oftmals auch nicht sinnvoll: „Wer Diabetes hat, muss regelmäßig zur Kontrolle zum Augenarzt. Jedes Mal vorher zum Hausarzt laufen zu müssen, ist Blödsinn“, wird Barbara vom Stein deutlich.

Doch es gibt auch in Burscheid Befürworter der Praxisgebühr. Inge Hiller vom Hausarztzentrum Hilgen kennt die Gründe für eine mögliche Abschaffung, spricht sich aber eher für die Gebühr aus. „Ich sehe schon eine Steuerungsfunktion. Es kommen durch die zehn Euro nur die Patienten mit wirklichen Leiden. Besonders die Notdienste sind ruhiger geworden.“

Durch den jahrelangen Umgang mit der anfangs lästigen Gebühr sei der bürokratische Aufwand mittlerweile zu verkraften. Mit dem Überschuss der Krankenkassen könne man einen Puffer anlegen, denn immer mehr ältere Patienten benötigten kostenintensive Langzeit-Therapien. Außerdem seien zehn Euro zumutbar, vor allem, weil sozial schwache Patienten von der Gebühr befreit wären.

Genau diese Befreiungen sind Barbara vom Stein ein Dorn im Auge: „Mittlerweile sind fast 50 Prozent unserer Patienten von der Gebühr befreit, weil sich auch chronisch Kranke befreien lassen können. Dafür kann im Einzelfall schon medikamentös behandelter Bluthochdruck ausreichen.“

Für diese Patienten muss in ihrer Praxis jedes Jahr seit der Einführung der Praxisgebühr 2004 der gleiche Antrag ausgefüllt werden — noch mehr Bürokratie.

In einem Punkt stimmt sie ihrer Kollegin aber uneingeschränkt zu: Die zehn Euro Notdienst-Gebühr, die unabhängig von der Praxisgebühr erhoben werden, sollten beibehalten werden: „Dabei funktioniert die Steuerungsfunktion: Patienten überlegen es sich jetzt zweimal, ob sie am Sonntagabend nur wegen Halsschmerzen zum Notarzt gehen.“

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