Nest der gejagten Ameisen befand sich gar nicht im Haus

Die Ahnungslosigkeit des Kammerjägers zeigt sich nicht nur in der Dosierung des Mittels.

Burscheid. Die Geschichte um den Neubauabriss in Rötzinghofen wird immer grotesker. Denn der Kammerjäger hat Ameisen bekämpft, deren Nest sich wahrscheinlich gar nicht in dem Haus befand. Offenbar kannte er sich aber weder mit Ameisen noch mit dem Mittel aus, das er zu ihrer Bekämpfung einsetzte.

In einer kurzen Phase vor der Paarung fliegen Ameisen und treten dann auch in großen Schwärmen auf. Als solcher befielen sie auch im vergangenen Jahr das 2010 gebaute Fertighaus am Egger Weg. Nach etwa einer Woche hätte sich das Problem aber weitgehend von selbst erledigt: Die Männchen sterben nach der Paarung, die Weibchen werfen die Flügel ab.

Statt diesen Zeitpunkt abzuwarten, griff der Kammerjäger aber zum Substrat Finicon Aktion EW, einem „probaten Mittel für eine lokale Anwendung“, wie Peter Themann, Anwalt der Familie, sagt. Der Schädlingsbekämpfer setzte es stattdessen großflächig im ganzen Haus ein — und kontaminierte damit auch die gesamte Inneneinrichtung irreparabel.

Dass sich das Ameisennest wohl zu allem Überfluss nicht etwa, wie kolportiert, im Keller, sondern außerhalb des Hauses befand, kommentiert der Anwalt nur mit Rücksicht auf die Betriebshaftpflichtversicherung des Kammerjägers zurückhaltend: „Das ist nicht auszuschließen.“ Sicher sei: „Der Mann hat zum falschen Zeitpunkt die falsche Methode angewendet.“

Vor dem Versicherer, der Provinzial, zieht Anwalt Themann dagegen den Hut: „Bei manchen anderen Versicherungen hätte ich vier oder fünf Jahre prozessieren müssen.“ Die dreifache Überprüfung der Kontaminierung über einen allgemeinen Sachverständigen, ein chemisches Gutachten und eine wissenschaftliche Bewertung sei einvernehmlich erfolgt — wie auch die letztlich getroffene Entscheidung, das für etwa 250 000 Euro errichtete Haus wieder abreißen zu lassen. Den Gesamtschaden, so weit sich das jetzt schon beurteilen lässt, beziffert Themann auf etwa eine halbe Million Euro.

Die Gesundheitsuntersuchungen der Betroffenen sind noch nicht abgeschlossen, die psychische Anspannung daher denkbar extrem. Aus Sicherheitsgründen musste die Familie (ein Ehepaar mit einem kleinen Kind, die Mutter ist wieder schwanger) wirklich alles zurücklassen — von der Hifi-Anlage über die Kleidung bis zum Spielzeug und den Kuscheltieren. Entsprechend, so Anwalt Themann, gehe seine Betreuung der Familie „weit über das Juristische hinaus“.

Berichte von Plünderungen an der Abrissstelle kann er nicht bestätigen. Der gesamte Hausstand sei systematisch entsorgt worden. „Etwaige Plünderer müsste man sogar eher vor der Gesundheitsgefahr warnen.“

Ob an gleicher Stelle nun ein neues Heim für die Familie entsteht, ist noch offen. Für eine solche Entscheidung sei alles noch zu frisch, sagt der Anwalt. In der Bewertung des Kammerjägers legt er sich aber fest: „Der hatte definitiv keine Ahnung.“

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