Menschen nahe am Abgrund der Gesellschaft

Der neue Köln-Krimi von Myriane Angelowski wirft den Blick auf Menschen, die in der Großstadt ums Überleben kämpfen.

Köln. Für die junge Mutter Romy stehen alle Zeichen auf Abstieg. Gerade musste sie ihre Wohnung in Köln räumen, weil sie sich auf einen unsicheren Deal mit ihrem Vormieter eingelassen hat, der nun geplatzt ist. In ihrer Not stiehlt sie einen Kleintransporter und versucht so mit ihrem sechsjährigen Sohn zu überleben. Regelmäßig bringt sie ihn trotzdem in die Kita, aber dort wird er von den anderen Kindern als Asi gemobbt, auch weil es schwer, ist auf der Straße die Körperhygiene einzuhalten. Auch die Plastiktüte, mit der Kleine als Rucksackersatz unterwegs ist, bringt ihm Ärger ein. Romy ahnt nicht, in welche Gefahr sie das gestohlene Fahrzeug bringt. Und dann erkrankt Linus auch noch schwer.

Nicht viel leichter hat es das alte Ehepaar Valeska und Ludo — beide haben ihre Rücklagen aufgebraucht und müssen um jeden Cent, den sie ausgeben können, kämpfen. Valeska arbeitet für eine Zeitarbeitsfirma und hilft in verschiedenen Supermärkten als Bedienung aus. Doch ihre jüngeren Kollegen sehen, die ältere Frau nicht gerne in ihren Reihen. Ludo schafft es immer, aus wenigen und einfachen Zutaten etwas Besonderes auf den Tisch zu bringen. Aber als er in Visier einer brutalen Jugendgang gerät, die ihm das letzte Geld rauben, kommt auch er an seine Grenzen. Zudem braucht er, schwer krank, dringend zusätzlichen Sauerstoff, um überhaupt atmen zu können. Doch die Anzahl der Sauerstoffflaschen, die ihm die Krankenkasse zubilligt, ist sehr begrenzt.

Auch Angelina muss um ihr Dasein kämpfen, sie arbeitet als Aushilfe in einer Kindertagesstätte. Sehnlichst hofft die junge Frau dort auf eine Festanstellung — doch bei der Leiterin der Einrichtung hat sie schlechte Karten. Auch die Hoffnung auf eine eigene Wohnung weit weg vom schmierigen Vater ihres Freundes Dennis, scheint zu platzen, weil der stark tätowierte Dennis im Leben seine eigenen Regeln aufstellt und so seine Mitmenschen brutal vor den Kopf stößt. So schafft er es auch nicht, einen Job länger als ein paar Wochen zu behalten. Und Angelina vermutet, dass er schon wieder auf die krumme Bahn gekommen ist.

Die beiden Kommissarinnen Maline und Lou kommen bei zwei Mordfällen ebenfalls mit dem gesellschaftlichen Abgrund in Berührung. Zunächst finden sie einen alten Mann tot in seiner Wohnung, wo dieser sich fast komplett zurückgezogen hat und tagtäglich mit seiner Nähmaschine kleine Engel produziert, mit denen er alten Leute eine Freude machen will. Doch er tut sich schwer mit gesellschaftlichen Kontakt und ist zu einen schwer berechenbaren Eigenbrötler geworden, der selbst die eigene Tochter vergrämt hat.

Kurz später wird eine weitere Tote gefunden, die tagelang unbemerkt in ihrer Wohnung gelegen hat. Sie wurde nach dem Tod ihres Mannes aus der Bahn geworfen und ist nach und nach vor die Hunde gegangen. Eines natürlichen Todes ist aber auch sie nicht gestorben. Sie hinterlässt zwei Kinder, die bei einer Pflegefamilie leben. Aber auch dort sind die beiden nicht sicher.

Mit ihrem neuen Köln-Krimi „Die dunkelen Straßen von Köln“ präsentiert Autorin Myriane Angelowski zunächst viele Handlungsstränge, die nichts miteinander zu tun haben scheinen. Erst nach und nach verwebt sie die Geschichten und macht daraus ein so eindrucksvolles wie auch spannendes Gebilde, bei dem die Menschen im Mittelpunkt stehen, die in der ungleichen Gesellschaft am Rande stehen, die verzweifelt sind und die um ihr Überleben kämpfen müssen. Es sind ungleiche Geschichten von Menschen, die aufgeben und die sich ihrem Schicksal hingeben. Andere leisten dagegen Widerstand und suchen mit aller Kraft Wege aus der Krise — auch wenn diese manchmal etwas eigenwillig scheinen. Es ist ein hochinteressantes Bild von Menschen am Abgrund, bei den viele am liebsten wegschauen und die dunkele Seite der Stadt ignorieren. Und um so enger sich das Geschehen miteinander verbindet, um so dramatischer werden die Ereignisse.

Myriane Angelowski: Die dunkelen Straßen von Köln, Emons-Verlag, 336 Seiten, 11,90 Euro.

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