Wer ist schuld? Anklage zum Kölner Archiveinsturz soll erhoben sein

Vor mehr als acht Jahren brach das Kölner Stadtarchiv in sich zusammen. Zwei Menschen starben, Unmengen an Dokumenten wurden zerstört. Nun hat die Staatsanwaltschaft laut einem Bericht von „Focus Online“ Anklage erhoben.

Ein Fehler beim U-Bahn-Bau soll 2009 den Einsturz des Kölner Stadtarchivs ausgelöst haben.

Ein Fehler beim U-Bahn-Bau soll 2009 den Einsturz des Kölner Stadtarchivs ausgelöst haben.

Foto: Oliver Berg

Köln. Dienstag, 3. März 2009: Laute Warnrufe von Arbeitern einer U-Bahn-Baustelle schrecken die Menschen in der Kölner Severinstraße auf. Nur Augenblicke später stürzt das Historische Stadtarchiv donnernd in sich zusammen. Zwei junge Männer, die in einem der zerstörten Nachbarhäuser wohnen, sterben in den Trümmern. Tonnenweise wertvolle Archivgüter sind in der Tiefe begraben.

Mehr als acht Jahre später hat die Staatsanwaltschaft nun laut einem Bericht von „Focus Online“ Anklage erhoben. Sieben Menschen sollen sich dem Bericht zufolge vor Gericht für den Einsturz verantworten. Weder bei der Staatsanwaltschaft noch beim Kölner Landgericht konnte dpa dafür am Montag eine Bestätigung erhalten.

Die Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung richtet sich laut „Focus Online“ gegen zwei Beschäftigte der Kölner Verkehrsbetriebe und fünf weitere von der Arbeitsgemeinschaft (ARGE), die die neue U-Bahn-Linie im Kölner Zentrum fertigstellen sollte.

Damit könnte sich bestätigen, was die Stadt Köln bereits unmittelbar nach dem Unglück angenommen hat, nämlich dass beim Bau der neuen U-Bahn Fehler gemacht wurden. Die Stadt vermutete früh einen „Ausführungsfehler“ der Firmen, die unter dem Archivgebäude an den Arbeiten für die neue Nord-Süd-Verbindung beteiligt waren. Dadurch, so die Annahme, könnte das Erdreich unter dem Archiv weggebrochen sein.

Die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen hatte hingegen immer argumentiert, es habe einen sogenannten hydraulischen Grundbruch gegeben, bei dem Wassermassen durch die Baustellensohle dringen - eine Art Naturereignis also, gegen das jeder machtlos ist.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte insgesamt gegen 94 Beschuldigte - weil die Verjährung drohte, hatte sie einen großen Kreis möglicher Verdächtiger benannt, um sich die Chancen auf eine Anklage zu sichern.

Als sich vor gut acht Jahren die Staubwolke lichtete, war das vierstöckige Gebäude gleichsam im Erdboden versunken. Übrig geblieben waren ein riesiger Schuttberg und ein gewaltiges Loch.

Bevor mit der Ursachensuche überhaupt begonnen werden konnte, mussten erst einmal die verschütteten Archivalien aus dem Loch geholt werden. 30 Regalkilometer Dokumente lagen - durchnässt und teils in kleine Stückchen zerfetzt - irgendwo in der Grube. Am Ende gelang es, 95 Prozent der Bestände zu bergen. Mit aufwendigen Verfahren machten sich Experten daran, die Dokumente zu trocknen und wieder zusammenzusetzen - eine Sisyphusarbeit, die wohl noch Jahrzehnte dauern wird. Immerhin: Vor einigen Wochen wurde an anderer Stelle der Grundstein für einen Neubau des Stadtarchivs gelegt, 2020 soll es fertig sein.

Erst als alle Archivalien aus der Grube geborgen waren, wurde mit großem technischem Aufwand und Millionenbeträgen eine Art „Besichtigungsschacht“ in das Loch gebaut werden, um die Wände zu stabilisieren. Immer wieder gab es Verzögerungen. 2014 konnten Spezialtaucher und andere Experten anfangen, die teils im Grundwasser stehenden Tunnelwände zentimeterweise zu inspizieren.

Die Stadtverwaltung beziffert den Schaden, der durch den Einsturz entstanden ist, auf 1,2 Milliarden Euro. Wer dafür haften muss, wird in einem Zivilprozess entschieden - zu erwarten ist ein Gutachterstreit durch mehrere Instanzen. Neben der Staatsanwaltschaft haben auch das Landgericht und die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen Gutachter beauftragt. Ein möglicher Anspruch verjährt nach 30 Jahren.

Bei der strafrechtlichen Aufarbeitung herrscht dagegen mehr Zeitdruck: Wenn das Landgericht Köln nicht bis zum 2. März 2019 - zum Ende der Zehnjahresfrist - ein Urteil gesprochen hat, verjährt das Ganze. Dann bliebe die strafrechtliche Schuldfrage für immer ungeklärt. dpa

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