Jugendamt: Intime Fragen ohne Elternkenntnis

Der Kreis hat bei einem Fragebogen an Schüler womöglich gegen das Gesetz zum Datenschutz verstoßen.

Burscheid. Ziemlich neugierig gibt sich ein Fragebogen, den die Jugendämter des Kreises derzeit in einer Auflage von 10000 Exemplaren in weiterführenden Schulen an Mittelstufen-Schüler verteilen.

Insgesamt sind darin 74 Fragen enthalten - und manche klingen so intim, als wären sie Teil einer psychotherapeutischen Sitzung. Da wird nach sexuellen Erlebnissen gefragt, nach Beziehungserfahrungen und Drogenkonsum. Ebenso von Interesse ist der private Lebensraum, etwa die Zahl der Zimmer im Haus der Eltern.

Von den Antworten erhoffen sich die Jugendämter Einsicht in die Lebenssituation und das Freizeitverhalten der Schüler. Daraus will der Kreis Erkenntnisse für seine Jugendarbeit ableiten - inwiefern zum Beispiel Notwendigkeit besteht, das Angebot in Jugendzentren zu erweitern oder neue Präventionsprojekte zu gründen.

Bedenken, dort dringe eine öffentliche Einrichtung in private Tabu-Zonen ein, zerstreut der Kreis mit dem Hinweis, dass die Abgabe des Fragebogens anonym und freiwillig erfolgt. Auch die Pressesprecherin der Stadt Bergisch Gladbach, Iris Gehrke, versucht Zweifel, man könne sich datenschutzrechtlich auf dünnem Eis bewegen, mit dem Hinweis zu entkräften: "Bislang haben sich bei uns keine Eltern beschwert."

Der Bogen ist indes schon seit mehreren Tagen Gegenstand einer intensiven Prüfung der Landesbeauftragten für Datenschutz. Noch liegt zwar kein abschließendes Gutachten vor. Aber die Worte, die deren Sprecherin Bettina Gayk durchsickern lassen, sprechen schon jetzt eine deutliche Sprache. "Der Fragebogen könnte ein Problem sein", sagt sie und berichtet von Überlegungen, dem Kreis nahezulegen, die Befragung auszusetzen.

Als "Problem" bezeichnet Gayk die Tatsache, dass eine öffentliche Einrichtung Kinder befragt, ohne vorher deren Eltern um eine Einwilligung zu bitten. Das verstoße gegen das Selbstbestimmungsrecht der Eltern. Denn in dem Bogen sind Fragen enthalten, die direkt oder indirekt auch die Eltern betreffen. Seien es die räumliche Aufteilung von Wohnung oder Haus, das Eltern-Kind-Verhältnis oder häusliche Gewalt.

In den Schulen händigten die Lehrer auf Weisung des Kreises lediglich einen vorformulierten Elternbrief aus - und baten die Schüler darum, diesen den Erziehungsberechtigten zu zeigen. Von der Einforderung einer Unterschrift jedoch keine Spur. Damit ist nicht garantiert, dass tatsächlich alle der mehreren Tausend Mittelstufenschüler im Kreis den Brief ihren Eltern gezeigt haben.

Den Jugendämtern schwant indes, dass ihnen ein Fehler unterlaufen sein könnte. Mit der Auswertung der eingesammelten Fragebögen wolle man erst einmal warten, sagt Gehrke. Wenn die Landesbeauftragte für Datenschutz ihr Votum abgegeben hat, will man eine Entscheidung darüber fällen, ob man die Kuverts tatsächlich öffnet.

Die Schüler selbst empfanden die Fragebögen offenbar nicht als unangemessen. "Bei den Schülern spielt Datenschutz eine eher geringe Rolle", sagt Waltraud Schmitz, Leiterin der Friedrich-Goetze-Hauptschule in Burscheid.

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