Hinter dieser Tür spielt die Musik

Die Pforte zum Haus an der Hauptstraße 91 ist mehr als 200 Jahre alt. Damals führte sie zum Musikzimmer im Kloster Altenberg. Die Hausbewohner pflegen die Tradition.

Hinter dieser Tür spielt die Musik
Foto: Doro Siewert

Burscheid. Die Ornamente an der Haustür des Hauses an der Hauptstraße 91 zeugen von einem musikalischen Haus. Zumindest erwecken die Abbildungen von einer Geige, Blasinstrumenten und Notenbüchern den Eindruck. Und ganz falsch liegt man damit nicht. Denn die Familie, die dort wohnt, ist durchaus musikalisch und pflegt die Tradition, auf die die Tür verweist. Aber eigentlich geht die Geschichte anders.

Denn die Tür des Hauses, in dem Familie Giebel/Mohrs lebt, ist viel älter als die Einwohner. Und sie folgte nicht den Einwohnern dorthin, sondern bezog schon weit vor deren Einzug Stellung im Haus. Und eigentlich gab es sie auch schon vor der Errichtung des Hauses.

Das denkmalgeschützte Haus an der Hauptstraße 91 wurde 1841 erbaut. Die Tür stammt aber aus dem alten Zisterzienserkloster in Altenberg, das 1133 errichtet wurde. Der Altenberger Dom ist als dessen alte Klosterkirche erhalten geblieben. Damals lag das Musikzimmer der Abtei hinter der Tür — wie die Verzierungen schon deutlich machen. Else Yeo schrieb in einem Aufsatz über die Tür, dass die gregorianischen Choralnoten deutlich zu erkennen seien.

Von dort ist die Tür nach Burscheid gekommen. „Die Abtei wurde 1803 aufgelöst und das Inventar verkauf, bevor sie 1815 abgebrannt ist“, weiß Norbert Orthen, Herausgeber der Bergischen Blätter und Chefredakteur der Ordenszeitschrift der Zisterzienser. Damals sei eine Fabrik für Preußisch Blau, ein Farbpigment, das aus Eisen-Salz und Blutlaugensalz hergestellt wird, explodiert. Die Tür müsse also schon vorher gesichert worden sein, meint Orthen. Yeo schreibt hingegen, dass der damalige Eigentümer, Franz Egon Freiherr von Fürstenberg, 1819-21 alle „brauchbaren Materialien“ habe sichern lassen — darunter auch die Türen.

Jedenfalls ist sie 1821 im Neubau der Burscheider Schule gelandet und nach deren Abriss 1840 dann im Folgejahr in dem Haus an der Hauptstraße verbaut worden. Sie ist nicht die einzige Tür aus der Abtei, sagt Orthen. Zwei weitere befinden sich am Gut Höfchen und dem Strasserhof. Aber die an der Haupstraße sei die mit Abstand am besten erhaltene, meint Orthen.

Tina Mohrs, die hinter der Tür lebt, weiß um das historische Schätzchen, das für sie und ihre Familie Ein- und Ausgang ihres Wohnhauses ist. Deswegen haben sie und ihr Mann auch gerade erst einen Fachmann bestellt, der die Tür überarbeiten wird. „Wir haben die Tür vor dem Einzug vor fünf Jahren machen lassen“, sagt sie. Aber jetzt soll noch nachgebessert werden — es ist zu viel Lack auf der Tür, der soll ab und dünner erneuert werden.

Mohrs kennt die Geschichte, dass die Tür aus der alten Abtei kommt — natürlich. Denn die hängt auch in einem kurzen Text an der Hauswand. Immerhin ist das Haus ein Denkmal. Aber Orthen kann noch mehr dazu verraten. Denn das Kloster war auch Anziehungspunkt für die Prominenz seiner Tage. So kam Johann Wolfgang von Goethe 1815 zu Besuch — bevor die Abtei den Flammen zum Opfer fiel. Und je nachdem, ob die Tür damals noch in dem Gebäude war, könnte er sie auch berührt und passiert haben. „Das Haus erzählt Geschichten“, sagt Mohrs.

Den musikalischen Hintergrund der Tür kann so eine Geschichte nur verstärken. Dazu passt auch, dass Familie Giebel durchaus musikalisch ist, wie Tina Mohrs erzählt. Agnes Giebel, die Schwester ihres Schwiegervaters, war Sopranistin und eine berühmte Bach-Interpretin. Ihre Schwägerin Julia Giebel ist Opernsängerin. Und auch bei ihr und ihrem Mann spiele Musik eine große Rolle. Einmal im Jahr veranstalteten sie Hauskonzerte, immer mit anderen Musikern und Freunden, mit denen sie die Abende feiern.

So liegt das Erbe der Tür anscheinend in guten Händen. Und hinter der 200 Jahre alten Pforte spielt sich heute noch das ab, was sich damals abspielte: Musik.

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