Für drei Minuten im Buch versunken

Beim Vorlesewettbewerb lesen 16 Sechstklässler um die Wette. Nur einer vertritt den Kreis beim Landeswettbewerb.

Burscheid. Gespannt ruhen 50 Augenpaare auf Jenny, die an einem Tisch im großen Raum der Stadtbücherei sitzt. Dass sie unter Beobachtung steht, ist der Elfjährigen kaum anzumerken. „Ich lese aus dem Buch ,Mein Pickel und ich’ vor.

Darin geht es um Sina, und wie sie ihre Pubertät erlebt. Ich fand das Buch spannend, weil ich jetzt weiß, was dann so passiert“, sagt die junge Burscheider Schülerin.

Konzentriert beginnt sie ihren Vortrag. Sie muss vor allem die fünfköpfige Jury überzeugen. Jenny Vierkötter ist Schulsiegerin beim Vorlesewettbewerb der Evangelischen Realschule und tritt mit 15 anderen Sechstklässlern aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis zum Regionalentscheid des bundesweiten Vorlesewettbewerbs an. Der Gewinner nimmt am Landeswettbewerb teil.

Jenny versinkt in ihrem Text, versucht, alle möglichen Betonungen zu erwischen. „Leon ist ein Nervmonster der mutierten Art, und wie er jetzt lauthals rumkräht: ,Sina hat einen Pickel, Sina hat einen Pickel’, wünsche ich ihm für die Zukunft eine Akne fiesus longus eiterus explosivus“, trägt sie ebenso explosiv vor. Das Publikum lacht.

Das Piepen einer Stoppuhr beendet Jennys Lesung. Drei Minuten haben die Kandidaten Zeit. „Na, das war mal richtig was aus dem Leben“, sagt Büchereileiterin Barbara Hoevels, die die Moderation übernommen hat. Lebensnahe Bücher stehen bei den Kindern hoch im Kurs. Viele lesen aber auch aus fantastischen Geschichten wie „Harry Potter“, den „Vampirschwestern“ oder den „Drei Fragezeichen“ vor.

Welchen Text sie aussuchen, ist nicht wichtig. Auf Lesetechnik, Textgestaltung und Textverständnis kommt es der Jury an. In ihr sitzen Lesefachleute: Buchhändlerin Ute Hentschel, Fantasy-Autorin Giovanna Lombardo, Büchereimitarbeiter Uwe Güttner, Lesepate Louis van der Parre und Peter Henseler aus dem Vorstand des Büchereifördervereins.

Nachdem die Kinder einen selbst ausgesuchten Text vorgetragen haben, geht es mit einem fremden Buch weiter — Barbara Robinsons Klassiker „Hilfe, die Herdmanns kommen“. Das ist schon schwieriger. Hier und da gerät der Lesefluss ins Stocken.

Nachdem die Stoppuhr zum 16. Mal läutet, kommen die Minuten der Entscheidung. Die Jury wird allein gelassen. Unter den Gästen beginnt derweil das Tuscheln und Fachsimpeln. Wer hat auch im zweiten Durchgang gut betont? Wer hat laut und deutlich gesprochen? Die Spannung steigt.

„Ihr seid alle super Leser“, sagt Ute Hentschel, als die Jury alle Punkte vergeben hat. Zuerst werden „gemeinsame vierte Plätze“ prämiert. Jeder bekommt ein Buch und eine Urkunde. Am Ende ist es Charlet Lorsbach aus Overath, die strahlend in die Arme ihrer Begleiter fällt. Sie darf den Kreis beim Landeswettbewerb vertreten. Jenny Vierkötter landet auch auf einem vierten Platz — nicht schlimm: „Ich bin ja immerhin schon Schulsiegerin“, sagt sie.

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