Die Sorge vor der Markierung

Katja Naseband muss ihre Tiere markieren lassen. Aus Angst um deren Zustand möchte sie keine Marken im Ohr. Der Gesetzgeber sieht keine Alternative vor.

Die Sorge vor der Markierung
Foto: Doro Siewert

Odenthal. Oskar ist ein Schlitzohr. Die kleine Ziege auf dem Hof von Katja Naseband war einmal am Ohr markiert. Was davon noch zu sehen ist, ist ein tiefer Riss und ein zweigeteiltes Ohr. Das möchte Oskars Besitzerin in Zukunft vermeiden und steht deswegen gerade in Konflikt mit dem Veterinäramt des Rheinisch-Bergischen Kreises. Das hat bei der letzten Begehung des Grundstücks festgestellt, dass die Ziegen und Schweine nicht ordnungsgemäß markiert sind und will das ändern. Notfalls per Zwangsvollstreckung.

Das möchte Naseband verhindern. Um der Tiere willen. Sie arbeitet mit den Tieren im pädagogischen Bereich mit Kindern. Auf ihrem Hof in Odenthal gibt es Esel, ein Pony, Meerschweinchen, Hühner, Hunde, Katzen und eben die Schweine und Ziegen.

Sie beteuert, dass es ihr nicht darum gehe, die Tiere nicht zu markieren. Das möchte sie tun. Nur nicht mit den Ohrmarken. Denn bei Oskar habe sie gesehen, was passieren könne. Die Wunde habe sich entzündet, so dass sie die Marke nach vier Wochen habe herausnehmen müssen. Danach habe Oskar sich dann das Loch irgendwo auf der Weide aufgerissen.

Bei den Schweinen hat sie vor allem Sorge um deren Zustand. Denn das eine, Herrn Rossi, habe sie aus ganz schlechten Verhältnissen geholt und es sei verhaltenauffällig gewesen. „Wir dachten, er wäre aggressiv, dabei hatte er nur Angst“, sagt sie. Sie habe lange gebraucht, um das Vertrauen von Herrn Rossi zu gewinnen. Jetzt möchte sie nicht, dass eine schmerzvolle Prozedur durch einen Tierarzt das gefährdet.

Auch wegen der Kinder, mit denen sie arbeitet. Die hätten auch Probleme und identifizierten sich mit den Tieren, die mit einem schwierigen Hintergrund doch gelernt hätten, Vertrauen zu schöpfen. „Wie soll ich den Kindern erklären, wenn ich zulasse, dass den Schweinen Schmerzen zugefügt werden?“, fragt sie. Und wie wäre das für die Kinder, wenn die Schweine wieder Angst hätten, wie am Anfang?

Beim Amt stößt sie auf taube Ohren. Von dem hatte sie eine Frist bekommen, zu der die Tiere markiert worden sein sollen. Nachdem sie Einspruch eingelegt hatte, hat sie eine Ordnungsverfügung bekommen — die Androhung einer Ersatzvornahme unter Androhung der sofortigen Vollziehung. Das heißt, wenn sie die Tiere nicht bis zum 6. April selbst markieren lässt, kommt das Amt zu ihr, markiert die Tiere auf ihre Rechnung und das ohne die Möglichkeit eines vorherigen Widerspruchs.

Naseband findet das überzogen. Immerhin möchte sie doch die Tiere markieren — eben nur nicht am Ohr, sondern mit einem Chip, der unter die Haut soll. Das sei schmerzfrei und zudem viel praktischer, weil es eine individuelle Markierung sei, keine, die sich nur auf den Hof beziehe.

Mit ihrer Idee wird sie aber mutmaßlich keinen Erfolg haben. Äußere Markierungen seien Pflicht für Schweine, erklärt Alexander Schiele, Pressesprecher des Kreises. Es gehe um Seuchenprävention und das ginge eben vor Tierschutz. Auch wenn man aufseiten des Kreises Sympathien für Frau Naseband und ihre Argumente habe, habe der Kreis keinen Ermessensspielraum. „Die Tiere müssen laut Gesetz von außen gekennzeichnet sein.“ Da spiele es keine Rolle, ob großer Schweinemastbetrieb oder kleiner Hof. Es müsse mit einem Blick erkennbar sein, von wo ein Schwein komme, falls es an einer Seuche verende. „Sie muss sich da ein Stück weit als Teil einer Solidargemeinschaft verstehen, in der jeder alles tun muss, um Tierseuchen zu bekämpfen“, sagt Schiele.

Katja Naseband kann das nur bedingt verstehen. In den Schreiben an sie wird immer wieder von Nutztieren gesprochen. Sie habe keine klare Definition dafür gefunden - außer dass es um Tiere geht, deren Fleisch in den Verzehr gelange. Das sei bei ihr aber nicht der Fall. Sie erhofft sich deswegen eine Ausnahmeregelung.

Laut Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW müssen aber alle Schafe, Ziegen und Schweine markiert werden. Diese seien „per lebensmittelrechtlicher Definition immer lebensmittelliefernde, schlachtbare Tiere“. Da „kennt der Gesetzgeber keine Ausnahmemöglichkeiten von der Kennzeichnungspflicht für diese Tiere, auch wenn die aktuelle Besitzerin eine Schlachtung ausschließt.“

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