Der Trend geht zur Schlichtheit

Noch bis Sonntag zeigen Designer auf der Möbelmesse die neuesten Trends. Und es lässt sich eine Tendenz ausmachen: Es wird schlichter.

Der Trend geht zur Schlichtheit
Foto: dpa

Köln. Ein Tisch — das sind eigentlich nur eine Platte und vier Beine. Und ein Stuhl besteht in seiner einfachsten Variante aus ebenfalls vier Beinen, einer Sitzfläche und ein paar Streben. Wofür braucht es mehr? Auf diese Frage konzentrieren sich viele Designer bei ihren Möbelneuheiten, die seit gestern auf der Internationalen Einrichtungsmesse imm cologne in Köln zu sehen sind. Was sie zeichnen, entwerfen und bauen, scheint auf das Allernotwendigste reduziert.

Der Trend geht zur Schlichtheit
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Es fehlen Schnörkel, Dekorationen und Extras. Möbelbau wie im Mittelalter? Nun gut, etwas Hightech für bequemes Ausziehen oder Verstellen ist natürlich noch dabei. Und die Trendanalystin Gabriela Kaiser bemerkt: „Wenn Opulenz durchkommt, dann durch Stoffe wie Samt in Juwelenfarben.“

Dennoch lässt sich aktuell in der Möbelbranche von einem „Trend zur neuen Schlichtheit“ sprechen, erklärt Markus Majerus, Sprecher der Kälnmesse. Dahinter stecken drei Motive der Designer. „Zum einen ist das ein Weg, der Wohnungsknappheit entgegenzuwirken“, erklärt der imm-Trendexperte Frank A. Reinhardt. Zum anderen erkennt er aktuell einen „neuen Push“ für das skandinavische Design, das schon seit Jahren beliebt ist. Diese Möbel sind sehr reduziert und einfach gehalten. Und da ist das Thema Nachhaltigkeit. „Es geht nicht mehr darum, auch noch den 100. Stuhl zu entwerfen, sondern um nachhaltige Produkte“, sagt Reinhardt. Schlichte Möbel haben eher eine Chance, länger auf dem Markt zu bestehen. Vielleicht sogar zum Klassiker zu werden, der noch viele Jahrzehnte produziert und immer wieder von Fans nachgekauft wird.

Viele dieser zeitlosen Möbel, die optisch betrachtet in wirklich jedem Einrichtungsstil ein Plätzchen finden, haben in den vergangenen Jahren ein Comeback erlebt. Doch es gibt nun ein Problem: „Den Firmen gehen solche Entwürfe aus“, erläutert Reinhardt. Daher geben sie nun verstärkt den aktuell tätigen Designern die Chance und zugleich die Vorgabe, Schlichteres, Reduziertes, Klassischeres zu entwerfen. Ein Beispiel dafür ist der Tisch Podia von Moritz Schlatter für Horgenglarus.

Auf der Möbelmesse feiert auch der deutsche Star-Designer Sebastian Herkner mit einem Stuhl namens „118“ Premiere, den er für das auf Klassiker spezialisierte Unternehmen Thonet entwarf. Er bezieht sich auf das von Michael Thonet im 19. Jahrhundert entwickelte Prinzip, einen Stuhl auf wenige Bestandteile zu reduzieren.

Gerade bei Stühlen ist die Schlichtheit derzeit besonders angesagt. Auch das Unternehmen e17 stellt auf der Messe mit dem Modell „Henning“ eine minimalistische Variante vor. Der Sitz und die Rückenlehne sind aus Massivholz, das Gestell aus pulverbeschichtetem Stahl oder geschliffenem Edelstahl. Warum es einfach sein sollte? Für e17 liegt das auf der Hand: Schlichte Möbel passen in viele Einrichtungssituationen.

Schaut man sich die Beispiel-Wohnwelten an, die Hersteller auf der Messe aufbauen und in ihren Katalogen zeigen, trügt das Bild aber: In den meisten Wohnungen und Häusern werde es keine Räume geben, die komplett reduziert eingerichtet sind. „Vielleicht nur 10 bis 15 Prozent der Menschen leben so — Tendenz steigend“, vermutet Reinhardt.

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