Konzert Das Heimspiel in der fremden Gedächtniskirche

In Berlin profitieren Chorgemeinschaft und Kantorei von der Vertrautheit ihrer Chorleiterin mit der Umgebung.

Burscheid. Gerade zwei Tage haben sie sich nicht gesehen. Aber die Herzen sind voll. Also schwirrt es an den fünf Tischen, die die Mitglieder von Evangelischer Kantorei und Chorgemeinschaft am Dienstagabend im Deutschen Haus belegt haben, bald von Erinnerungen an die zurückliegenden Tage in Berlin. Über 50 Sängerinnen und Sänger, über 50 Sichtweisen. Und Hunderte von Fotos.

Was hat die vier Tage ausgemacht? Annäherungen. „Wir sind als ein Chor zurückgekommen“, sagt Gisela Prägler-Hoth vom Kantorei-Vorstand. Wie zum Beweis reicht Ruth Mohr, mit ihren 80 Jahren die älteste aktive Sängerin, das schon gerahmte gemeinschaftliche Berliner Gruppenfoto herum, das sie nachträglich zum Geburtstag erhalten hat.

Mohr, seit den Anfängen der Kantorei nach dem Krieg dabei, war eine von vielleicht zehn Teilnehmern, die auch vor 16 Jahren schon mit der Kantorei in der Berliner Gedächtniskirche aufgetreten sind. „Aber diesmal war es noch schöner.“

Birgit Schoening, auch bereits 38 Jahre Mitglied der Chorgemeinschaft, hat vor allem die öffentliche Probe am Freitagvormittag vor Augen — vor zwischenzeitlich annähernd 300 Besuchern und Touristen in der berühmten Kirche. „Wir hatten schon ein Konzert gegeben, bevor es eigentlich losging.“

Und dann dieser magische Moment am Konzertabend, als gegen Ende die Straßenlaternen angeschaltet wurden und die charakteristischen blauen Fensterscheiben von außen zum Leuchten brachten.

Silke Hamburger, musikalische Leiterin beider Chöre, schwelgt noch in der Resonanz auf den Auftritt: „Das Konzert hat schwer beeindruckt. Wir haben die Chance des Außenseiters wahrgenommen, der den Pokal einfährt.“ Das weiß sie aus den vielen Rückmeldungen an ihrer alten Wirkungsstätte. Und umarmt dafür ihre Sänger verbal: „Wenn ich das nächste Mal nach Berlin fahre, seid ihr Teil meiner Erinnerungen.“ So wie sie sich an diesen Ton G erinnert, den sie reinsummen wollte, aber nicht fand. „Aber mein ganzer Sopran hatte ihn, wie aus der Luft gezaubert.“

Dass es den beiden Chören gelungen ist, „Atmosphäre abzuliefern“, auch in der fremden und akustisch nicht einfachen Kirche, dafür hat Frank Paas eine Erklärung: „Ich hatte nie den Eindruck, dass ich hier fremd bin, weil Silkes Vertrautheit mit der Kirche sich auf uns übertragen hat.“ Von einem Heimspiel hatte schon Liturg Knut Soppa bei der Begrüßung zu Beginn des Konzerts gesprochen, mit Hinweis auf Hamburgers Berliner Jahre.

Ein Heimspiel, das auch solche Momente möglich macht: Als Silke Hamburger am Donnerstagabend nach Toresschluss noch an der Orgel proben will, schleust sie noch fünf Chormitglieder in die jetzt völlig leere Kirche mit hinein. Auch Scarlet Schneider ist dabei. „Schon das blaue Licht haut einen um. Und dann fängt Silke an zu spielen. Etwas Schöneres kann es nicht geben.“

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