Crashtest mit Bierbauch

Johnson Controls: Der Automobilzulieferer hat gestern eine neue Schlittentest-Anlage für drei Millionen Euro eingeweiht. Bei den Prüfungen mit Dummys wird nichts dem Zufall überlassen.

Burscheid. Engineering-Manager Georg Müller ist zufrieden, als er den Crash-Test in Zeitlupe studiert. "Das Kopfstützensystem hat gut funktioniert", sagt er. Der Hinterkopf des Dummys bleibt auf einer Linie mit dem Oberkörper. Er wird nicht überstreckt. Aber festlegen möchte er sich nicht, ob ein Mensch bei dem simulierten Heckaufprall mit 16 Stundenkilometern einen Schaden erlitten hätte. "Sie würden einen solchen Aufschlag schon sehr stark spüren im Rückenbereich." Seinem Chef rät er jedenfalls davon ab, als Lebendobjekt statt einem Dummy auf dem Schlitten Platz zu nehmen.

Drei Millionen Euro hat die neue Schlittentest-Anlage gekostet, die gestern in der Europazentrale von Johnson Controls (JC) eingeweiht wurde. Eine ältere Schlittentest-Anlage, die es bereits gibt bei dem Zulieferer der Automobilindustrie, ist nicht geeignet für äußerst geringe und hohe Geschwindigkeiten. Jetzt können Sitze in der Forschungsabteilung von Johnson Controls an der Industriestraße mit bis zu 65g (g ist die Maßeinheit für die Erdbeschleunigung. Bei einem Auto, dass mit 30 km/h vor eine Wand fährt, können Kräfte von ungefähr 7g entstehen; Anm. d. Red.). beschleunigt werden bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 85 Stundenkilometer.

Georg Müller, Manager

Die neue Anlage in Burscheid sei eine von weiteren drei vergleichbaren in Europa. Durch die Tests gewinnen die JC-Entwickler detaillierte Erkenntnisse über die Stabilität und das Verhalten von kompletten Sitzkonstruktionen. Erkannt werden kann so, ob Kopfstützen wirkungsvoll gegen Schleudertraumata sind.

Lediglich bis zu fünf Tests können täglich auf der neuen Anlage durchgeführt werden. Die Vorbereitung für einen Versuch, für den die Geschwindigkeit und die Dosierung der Bremsen exakt justiert werden muss, dauert zweieinhalb Stunden. Während des Crash-Tests müssen sich alle beteiligten Mitarbeiter in einem Raum mit rotlich-gesicherter Tür zurückziehen. Auch für den Notfall ist gesorgt, falls sich der mit Druckluft beschleunigte Schlitten nicht mehr bremsen lässt: "Wenn gar nichts mehr geht, prallt der Schlitten am Ende der 16 Meter langen Bahn auf ein Stauchrohr."

Während den Menschen kein Härchen gekrümmt wird, falls doch einmal die Teile durch die Gegend fliegen, müssen die Dummys alles mitmachen. Aber sie seien sehr zäh, erklärt Müller. "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir seit Bestehen der Crash-Bahn in zwölf Jahren einen in Rente geschickt haben." Dafür werden sie sogar mit menschlichen Eigenschaften gesegnet, um authentische Ergebnisse zu liefern. "Einer unserer Dummys hat sogar ein richtiges kleines Bierbäuchlein." Eine Kammer mit Flüssigkeit sorgt für typisch männliche Merkmale.

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