„So eine Chance ist nicht wiederholbar“

Am Montag hat Christian Lindner in Berlin offiziell seine Dienstgeschäfte aufgenommen.

Rhein.-Berg. Kreis. Als Generalsekretär einer Bundespartei heißt es, Gewohnheiten infrage zu stellen. Das fällt Christian Lindner gleich zu Beginn der Antworten auf die Frage nach, wie der 14. Dezember seinen Alltag verändert hat.

Bislang habe er es so gehalten, jede Mail binnen 24 Stunden und selbst zu beantworten. Die Menge ist aber schon während der ersten Tage im noch neuen Dasein des Generalsekretärs so angewachsen, dass er weder das eine noch das andere einzuhalten vermag: innerhalb von 24 Stunden nicht, selbst auch nicht.

Der Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen war ein ehrenamtlicher Posten; der Generalsekretär der FDP Deutschlands ist ein bezahlter Job. "Ich bin immer im Dienst", begründet der neue Amtsinhaber, "und es gibt sehr viel mehr Organisationsarbeit zu tun."

Während seiner ersten Legislaturperiode im Landtag ist Lindner noch gependelt zwischen Wermelskirchen und Düsseldorf. In Periode II wurde er Fraktionsvize und Generalsekretär; da blieb nicht aus, dass er in der Landeshauptstadt wohnen musste.

So wie aktuell ein Umzug nach Berlin bevorsteht. Seine neue Freundin, die sein Leben gerade ziemlich verändert, hat eine Ein-Zimmer-Wohnung am Prenzlauer Berg. Auch wenn das an Studentenzeiten erinnert, reichen 40 Quadratmeter mitnichten, weiß Linder, der vergangene Woche das 31. Lebensjahr vollendet hat.

Und eigentlich vorhatte, sich als Sprecher der Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie zu engagieren. "Ich war hier in Düsseldorf Generalist", vergleicht er; im Bundestag ist das unmöglich. In diesem Fachausschuss gab es eine Vakanz, und Lindner hatte sich schon Dossiers zusammenstellen lassen, um sich richtig einzuarbeiten in dieses "Querschnittsfeld" mit interessanten Zukunftsperspektiven.

Aber General und Sprecher, "das wäre eine Überforderung", hat sich Christian Lindner überzeugen lassen und diverse Termine mit Lobbyisten wieder abgesagt. Er sagt dies nach dem Dreikönigstreffen in Stuttgart, wo er viel Lob für seinen Auftritt erhalten hat. "Ich bin natürlich erleichtert, dass meine Rede gelungen ist", stapelt er ziemlich tief. Aber er ist neu auf der Berliner Bühne und steht unter verschärfter Beobachtung.

Eine seiner Hauptaufgaben wird sein, das Grundsatzprogramm der Partei fortzuschreiben. "Ich will mich neu einbringen, Denkanstöße geben und für eine neue Positionierung der FDP sorgen. Dass das in Stuttgart positiv aufgenommen wurde, zeigt, dass die Partei weiter ist, als manche glauben."

Natürlich hat Christian Lindner auch nachdenken müssen, ob er die Aufgabe überhaupt anzunehmen bereit wäre. Er hat aber mehrfach beobachtet, dass nicht jedes Angebot wiederholt wird. Und auch, wenn das an und für sich "nicht so sehr in meinen Lebensplan passte", wollte er "die Chance nicht verpassen, in der Tradition großer Namen der Parteigeschichte den Prozess des Parteiprogramms bis 2012 zu moderieren - das ist toll, das ist nicht wiederholbar."

Er glaubt sogar, dass er noch unabhängig sei und sich jederzeit wieder in Sachen Werbebranche sogar selbstständig machen könnte. Deutlich mehr gefährdet sieht er die immaterielle Unabhängigkeit, private Kontakte und eine Reduzierung des Lebensinhalts auf die Politik.

Darum will Lindner zum Beispiel Vorsitzender der FDP Rhein-Berg bleiben. "Das ist meine Erdung", erklärt er. Er sieht noch Bodenhaftung, und es vergehe kein Tag ohne Kontakt mit privaten und Parteifreunden aus dem Kreis oder aus Wermelskirchen.

"Das sind meine Freunde", sagt Christian Lindner. Wenn die Wermelskirchener Freidemokraten nicht so manchen Spleen ausgehalten hätten, "mich nicht väterlich-freundlich gefördert hätten, anstatt selber für den Landtag zu kandidieren", wäre er nicht so früh so weit gekommen. "Da wächst man zusammen."

Das neue MdB möchte auch seinen Wahlkreis pflegen - "ich weiß nur noch nicht, wie." An die Zeit als MdL denkt er gerne zurück, an "tolle Debatten", an prägende Diskussionen, weil fast immer die Kommunalpolitik betroffen ist. Das erfordere "eine große thematische Breite und viel Basisarbeit mit viel Kontaktpflege".

In Berlin geht die Uhr noch deutlich schneller als in Düsseldorf. Hier heißt es 24 Stunden Obacht geben. Auf dass nicht aus einer eher lockeren Äußerung mittags am Mobiltelefon gegenüber dem "Spiegel"-Redakteur eine Abend-Schlagzeile der Tagesschau über den Generalsekretär wird. Die Berliner Medien-Szene ist ungemütlich, völlig anders als die in Düsseldorf.

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