Telematik Zuschuss zur Smartwatch statt Yogakurs

Wer seine Krankenkasse mit persönlichen Angaben versorgt, erhält günstige Tarife. Datenschützer warnen vor dem sorglosen Gebrauch der Fitness-Apps.

Mit der Smartwatch kann man ganz schnell Daten sammeln - es lohnt sich darüber nachzudenken, wem man sie zugänglich macht.

Mit der Smartwatch kann man ganz schnell Daten sammeln - es lohnt sich darüber nachzudenken, wem man sie zugänglich macht.

Foto: dpa

Düsseldorf. Ein neuer Begriff erobert die Versicherungsbranche. Telematik, Kunstwort aus Telekommunikation und Informatik, berechnet passgenaue Tarife, indem persönliche Daten zur Risikokalkulation herangezogen werden. Was bei der Kfz-Haftpflicht zu „pay as you drive“-Verträgen führt, belebt bei den Krankenkassen die altbekannten Bonusprogramme.

Mit weitreichenden Folgen für die Solidargemeinschaft der Versicherten: Für die kurzfristige Geldersparnis geben sie langfristig die Verfügungsgewalt über sensible Gesundheitsdaten auf. Daten-Verweigerern drohen letztendlich höhere Prämien. Politiker sprechen deshalb auch schon von fragwürdigen Marketingmaßnahmen. Und die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhof, warnt vor den neuen Versicherungstarifen, „die besonders für junge und gesunde Menschen verlockend wirken“.


Um was genau geht es? Die DKV fördert seit 2015 den Kauf einer Smartwatch mit 50 Euro pro Versichertem und Gerät als sogenannte „Aktivprämie“. Die AOK Nordost gewährt Versicherten, die ein „Gesundheitskonto“ bei ihr haben, einmal in zwei Jahren einen Zuschuss von 50 Prozent des Anschaffungspreises bzw. maximal 50 Euro. Die Generali Versicherung in München bastelt an einem ähnlichen Programm, das sie auf weitere Sparten ausdehnen will.

Besonders interessant dürfte das Vorhaben der Techniker Krankenkasse sein, die ihre „Gesundheitsdividende“ erweitern will. Die bietet bis zu 250 Euro Zuschuss, bislang zu Gesundheitsleistungen wie Akupunktur oder Knochendichtmessung. Stimmt das Bundesversicherungsamt (BVA) zu, wird der Zuschuss künftig auch bei Smartwatches oder Fitnesstrackern gezahlt.

Wer die Prämien haben will, muss eine sportliche Betätigung nachweisen. Etwa den Besuch einer Rückenschule. Oder er belegt, regelmäßig gelaufen zu sein. Dafür laden sich heute immer mehr Fitnessbewusste eine App auf die Smartwatch. Hunderttausende dieser meist kostenlosen, digitalen Anwendungen zum Healthtracking (Gesundheitsmessen) überschwemmen den Markt, versprechen das perfekte Monitoring des Gesundheitszustands. Und verlocken zur sorglosen Preisgabe der Daten.


Was bei gesetzlichen Krankenversicherungen nur in bestimmten, vom Gesetzgeber festgelegten Fällen möglich ist. So prüft der BVA, ob das Vorhaben der TK zulässig ist. Er kritisiert die Übermittlung von Daten „zum Nachweis einer sportlichen Betätigung, die von den Versicherten selbst durch eine Fitness-App per Smartphone erhoben wurden“ (Tätigkeitsbericht 2014). Sportliche Betätigungen könnten „nur dann als qualitätsgesicherte Maßnahmen eingestuft werden, wenn diese nachweisbar unter fachlicher Anleitung erfolgen“. Bei Daten, die per App übermittelt werden, sei nicht sicher, dass die sportlichen Aktivitäten tatsächlich auch vom Versicherten erbracht worden seien. Außerdem hegt der BAV „erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken.“

Andrea Voßhoff sorgt sich vor allem um die privat Versicherten, die gewohnt sind, über ihre Gesundheit Auskunft zu geben — weil sie sonst nicht versichert werden. Und die der Datenerhebung einfach nur vertraglich zustimmen müssen — ohne dass eine Aufsichtsbehörde eingeschaltet wird.

Die Krankenkassen beteuern unterdessen, dass sie an den digital erhobenen Daten gar nicht interessiert sind.

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