Autokonzerne Zukunft ohne Diesel und Benziner: Autokonzerne unter Druck

Opposition und sogar Gewerkschaften verlangen von den Autokonzernen eine technologische Neuausrichtung. Großbritannien geht dabei voran.

Dieselgate, Kartellvorwürfe und nun auch noch das angekündigte Aus für Verbrennungsmotoren - die Faszination des Automobils leidet stark. (Symbolfoto)

Dieselgate, Kartellvorwürfe und nun auch noch das angekündigte Aus für Verbrennungsmotoren - die Faszination des Automobils leidet stark. (Symbolfoto)

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Berlin. Ausgerechnet in Wolfsburg bei VW beginnt Umweltministerin Barbara Hendricks am Donnerstag ihre lange geplante Sommerreise. Gespräche mit Vorstandschef Matthias Müller und dem Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh sind geplant. Die SPD-Politikerin ist in der Branche nicht unbedingt beliebt, seit sie im letzten Jahr vorschlug, ab 2030 nur noch elektrisch betriebene Neuwagen zu erlauben. Doch jetzt wird man ihr wohl aufmerksam zuhören. Die deutsche Autoindustrie steht mächtig unter Druck.

Und das nicht nur wegen Dieselgate und Kartellaffäre. Zu allem Überfluss hat die französische und britische Entscheidung, Verbrennungsmotoren ab 2040 bei Neuwagen nicht mehr zuzulassen, VW und Co. jetzt auch noch eine Grundsatzdebatte über ihre Zukunft beschert. Hendricks, die im letzten Jahr mit ihrem Vorstoß noch an der Kanzlerin, dem Wirtschafts- und dem Verkehrsministerium gescheitert war, verspürt nun Oberwasser. „Wir sind gut beraten, das Signal sehr ernst zu nehmen und die Entwicklung alternativer Antriebe voranzutreiben“, ließ sie ihren Sprecher in Berlin verlauten.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nutzte die Vorlage aus den europäischen Nachbarländern sofort: „Die Tage des fossilen Verbrenners sind längst gezählt“, sagte er unserer Redaktion. „Die Bundesregierung darf nicht länger ein totes Pferd reiten.“ Hofreiter schlug wie einst Hendricks das Jahr 2030 als Ausstiegsdatum vor. Der Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens verlangte ebenfalls eine klare zeitliche Entscheidung für eine Abkehr von fossilen Energieträgen im Verkehr.

Noch überwiegen in der Regierung die zurückhaltenden Kräfte. Das Wirtschaftsministerium erklärte, es sei jetzt wichtig in Europa „ambitioniert und einheitlich vorzugehen“. Allerdings solle man sich dabei weder auf eine Technologie festlegen, noch auf eine Jahreszahl. Ähnlich äußerte sich das Verkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU). „Diskussionen um Jahreszahlen sind relativ phantasielos“, meinte sein Sprecher. Und Kanzlerin Angela Merkel (/CDU) ließ aus dem Urlaub so etwas wie ein „Basta“ verlauten: „Das Verbot von Diesel oder Benzinern steht derzeit nicht auf der Agenda der Bundesregierung“, sagte ihre Sprecherin und ergänzte: Die Kanzlerin habe immer vor einer pauschalen Ablehnung des Diesel gewarnt.

Doch bröckelt die Front merklich. Mit dem Verkehrsexperten Oliver Wittke sprach sich sogar ein CDU-Politiker am Mittwoch für einen Kurswechsel aus. „Den Abschied von der Verbrennungstechnologie werden wir kurzfristig einleiten müssen", sagte der Bundestagsabgeordnete. Es gehe nicht an, dass Großbritannien hier den „Taktgeber" spiele, Deutschland als das europäische Automobil-Land Nummer Eins aber hinterherhinke.

Wie stark die Autoindustrie derzeit an Rückhalt verloren hat, zeigt auch die Reaktion der IG-Metall, der Hausgewerkschaft der Hersteller. Bei einem Pressegespräch am Dienstagabend in Berlin erklärte IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner: „Wir werden diese Branche nicht durch Bewahren erhalten, sondern nur durch Zukunftstechnologien“. Der Dieselgipfel nächsten Mittwoch müsse auch über Mobilitätskonzepte der Zukunft und Elektromobilität sprechen. „Dass da jetzt Druck hinter muss, ist klar“, sagte Kerner. Auf eine Jahreszahl für den Ausstieg aus Verbrennungsmotoren wollte er sich jedoch nicht festlegen, lehnte sie aber auch nicht grundsätzlich ab.

In der Diesel-Affäre fordert die IG-Metall, dass die Konzerne außer das von ihnen angebotene Software-Update auch eine Nachrüstung für die älteren Modelle anbieten, „und zwar auf ihre Kosten“, so Kerner. Und in Sachen Kartell-Absprachen müsse Aufklärung und Offenheit das oberste Gebot sein. „Eine Wagenburg wäre jetzt völlig verkehrt“. Dazu gehöre auch, dass bei allen betroffenen Konzernen sofort die Aufsichtsräte über die Vorgänge informiert werden müssten.

Bei VW und Daimler gab es das schon am Mittwoch. DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte, vollständige Transparenz liege auch im Interesse der Autoindustrie. Zugleich warnte er aber davor, die Branche insgesamt in Misskredit zu bringen. „Wir werden nur mit einem hohen Anteil industrieller Wirtschaft unsere Zukunft sichern“.

An dem von Hendricks und Dobrindt einberufenen Diesel-Gipfel nächsten Mittwoch nehmen neben mehreren Bundesministern und Ministerpräsidenten auch die Branchenverbände sowie die Gewerkschaften teil. Insgesamt 23 Personen. Ziel ist eine Klärung der Frage, wie und auf wessen Kosten die Mogeleien an den Motoren nachträglich korrigiert werden. Es geht aber auch um die Zukunft des Diesels schlechthin, etwa um die Frage, wie künftig die geltenden Luftgrenzwerte eingehalten werden können.

Umweltverbände haben deshalb Klagen eingereicht. Die Hersteller wiederum wollen eine Sicherheit, dass nicht einzelne Städte Fahrverbote verhängen können. Kanzlerin Angela Merkel unterbricht ihren Urlaub wegen des Diesel-Gipfels nicht, lässt sich aber ständig unterrichten, so ihre Sprecherin.

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