Wirtschaft Wo deutsche Firmen es mit Menschenrechten nicht so genau nehmen

Eine Studie von Germanwatch und Misereor kritisiert, Menschenrechtsaspekte würden von deutschen Firmen zu wenig beachtet. Ein neuer Aktionsplan ist noch unverbindlich.

Wirtschaft: Wo deutsche Firmen es mit Menschenrechten nicht so genau nehmen
Foto: Giles Clarke/Global Witness/dpa

Düsseldorf. Seit 2011 gibt es die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, seit Dezember 2016 auch einen vom Bundestag verabschiedeten Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“. Der hat aber nur Empfehlungscharakter und ist nicht rechtlich bindend. Eine Studie von Germanwatch und Misereor zur globalen Energiewirtschaft kommt zu dem Schluss, dass deutsche Firmen weltweit an Energieprojekten beteiligt sind, die menschenrechtlich bedenklich sind.

Knapp ein Drittel der 1877 wirtschaftsbezogenen internationalen Menschenrechtsbeschwerden, die zwischen 2005 und 2014 registriert wurden, beziehen sich auf den Rohstoff- und Energiesektor. Oft spielt dabei Landraub eine Rolle oder eine nicht angemessene Entschädigung für die betroffene Landbevölkerung.

In die Studie flossen Angaben und Dokumentenauswertungen von 30 deutschen Unternehmen ein: je zehn Energieversorger, Zulieferer und Gashändler. Der Vorwurf bezieht sich nicht auf Menschenrechtsverletzungen durch die deutschen Firmen selbst, sondern durch die Projekte, an denen sie in unterschiedlichen Formen beteiligt sind. Mehr als zehn Fälle sind dokumentiert, in denen die Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht missachtet haben sollen.

Gravierendstes Beispiel ist das geplante Wasserkraftwerk Agua Zarca in Honduras. Seit Bekanntwerden der Pläne im Jahr 2011 gab es massive Proteste, weil das Projekt für die Landbevölkerung den Zugang zu dem wirtschaftlich und spirituell bedeutenden Fluss Gualcarque gefährdet. Die Proteste riefen gewaltsame Reaktionen von Polizei und Militär hervor. Seit 2013 wurden sechs Umweltaktivisten ermordet. Im Jahr 2013 schloss Voith Hydro, ein Joint Venture von Voith (65 Prozent) und Siemens (35 Prozent), mit dem Projektbetreiber vor Ort einen Liefervertrag für Turbinen, Generatoren und Steuerungsanlagen ab. Trotz frühzeitiger Aufforderungen, sich aus dem Projekt wegen der Menschenrechtsverletzungen wieder zurückzuziehen, wurden die Lieferungen erst im Mai 2016 vorläufig eingestellt.

Siemens erklärt, man habe aufgrund der Minderheitsbeteiligung „nur indirekt Einfluss auf dieses Projekt nehmen“ können. Die Entscheidung, die Lieferung zu stoppen, sei notwendig und richtig gewesen. „Wir beobachten die Ermittlungen und mögliche Gerichtsprozesse mit höchster Aufmerksamkeit und verurteilen jegliche Form von Gewalt aufs Schärfste.“ Weitere von der Studie kritisierte Projekte werden von Siemens mit dem Hinweis verteidigt, alle großen Infrastrukturprojekte seien mit Eingriffen in das ökologische und soziale Gefüge verbunden. „Aus unserer Sicht überwiegen bei diesen Projekten aber die Vorteile.“ Das Unternehmen kündigt jedoch an, „eventuell erforderliche Maßnahmen im Rahmen der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten“ noch früher einplanen zu wollen.

Ein anderes Beispiel betrifft den Steinkohleankauf durch die Energie Baden-Württemberg (EnBW), zweitgrößtes deutsches Energieunternehmen, beim kolumbianischen Kohlekonzern Drummond. Auch in Kolumbien soll es im Zuge des Kohleabbaus zu Bedrohungen und Ermordungen von Aktivisten, Zwangsumsiedlungen und massiven Umweltschäden gekommen sein.

EnBW erklärt dazu, es habe in Kolumbien deutliche Verbesserungen mit Blick auf Umweltschutz, Arbeitsschutz, Gewerkschaftsrechte und die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen gegeben. Diese Entwicklung sei „angesichts der fragilen Übergangsphase, in der sich Kolumbien derzeit befindet“, besonders wichtig. „Wir werden unter der Voraussetzung, dass unsere Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt werden, weiterhin Kohle aus Kolumbien beziehen.“ Man werde die Studie aber zum Anlass nehmen, „unser Engagement für eine verantwortungsvolle Kohlebeschaffung weiter auszubauen“. Ziel sei es, die eigenen Verhaltensgrundsätze „zu einem verbindlichen Bestandteil aller Rohstoffbeschaffungsverträge zu machen, die EnBW mit Lieferanten abschließt“.

Aus Sicht von Cornelia Heydenreich, Germanwatch-Autorin der Studie, ist besonders wichtig, die bis 2020 angekündigte Evaluation des deutschen Aktionsplans kritisch zu begleiten. Zwar habe sie den Eindruck, dass das Thema Menschenrechte bei immer mehr Unternehmen ankomme. „Aber bis zu einem konsequenten Handeln ist es noch ein weiter Weg.“ Dabei sei nicht immer ein völliger Abbruch der Beziehungen notwendig. „Die Unternehmen hätten Hebel, um bei ihren Projekten Einfluss zu nehmen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort