Wie niedrige Zinsen wirken

Die EZB senkt den Zins auf 0,75 Prozent. Kredite werden billiger, Kapital anlegen lohnt sich kaum noch.

Frankfurt/Brüssel. Zinsen unter einem Prozent, das gab es noch nie in Euroland. Nicht zum ersten Mal sehen sich Europas Währungshüter angesichts der Schuldenkrise zu extremen Maßnahmen gezwungen. Den kriselnden Südländern kommt die historische Zinssenkung entgegen, doch es gibt auch Bedenken und Kritik.

Die Zentralbank kappte den Leitzins, zu dem die Geldinstitute kurzfristige Kredite bei ihr erhalten, von 1,0 auf 0,75 Prozent. Diese Zinssenkung auf ein Rekordtief hatten Beobachter mehrheitlich erwartet. Eine andere Zinsentscheidung überraschte dagegen: Wenn Banken Geld kurzfristig bei der EZB anlegen wollen, erhalten sie nun keine Zinsen mehr dafür. Bisher bekamen sie 0,25 Prozent.

Spanien und Italien dürfte die Zinssenkung Luft verschaffen. Die Wirtschaft in beiden Ländern liegt am Boden, die Staaten müssen trotz aller Hilfen für frisches Geld am Kapitalmarkt hohe Zinsen zahlen. Etlichen spanischen Banken droht ohne Rettungsmilliarden das Aus. Die Hoffnung der Währungshüter ist, dass das billige Geld auch bei Firmen und Verbrauchern ankommt: Sinkende Zinsen verbilligen Kredite. Unternehmen können mehr investieren, Verbraucher mehr kaufen. Beides kann die schwächelnde Konjunktur ankurbeln.

Ja. In der Regel reichen die Banken niedrigere EZB-Zinsen an ihre Kunden weiter. Eine Bank muss aber ihre Kreditzinsen nicht senken, nur weil die EZB den Leitzins verringert. Hält sie ihre Zinsen auf dem bisherigen Niveau, erhöht sich ihr Gewinn. Ein niedrigerer EZB-Leitzins wirkt sich meist auch auf die Zinsen aus, die Verbraucher für ihre Sparanlagen erhalten. Banken dürften Spargelder künftig niedriger als bisher verzinsen. Und aktuell werfen Tages- und Festgeld schon kaum Rendite ab.

„Ich kenne keine Bank, die ihren Kunden null Prozent Zinsen anbietet. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Bank das machen würde“, meint Max Herbst, der mit seiner unabhängigen Finanzberatung in Frankfurt regelmäßig ein Auge auf die Entwicklung von Sparzinsen hat. Drei Gründe führt er an: Banken seien auf einen stabilen Kundenstamm und verlässliche Einlagen angewiesen, der Wettbewerb zwischen den Banken sei sehr groß und nicht zuletzt hätten die Kunden die Möglichkeit, jederzeit ihr Geld zu einer anderen Bank zu bringen. „Wir sind zwar so verrückt, Geld für ein Prozent Zinsen auf dem Sparbuch zu parken. Aber wenn es ins Minus gehen sollte, würden die Sparer doch wachwerden“, glaubt Herbst.

Sparer müssen dabei die Inflation, also die Preisteuerung bedenken. Sie frisst die Zinserträge teils oder ganz auf. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im Juni um 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr — die niedrigste Inflationsrate seit Ende 2010. EZB-Chef Draghi erwartet, dass die Inflation im ganzen Euro-Raum bis nächstes Jahr unter zwei Prozent sinkt.

Draghi-Statements unter

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