Wirtschaft Wer nutzt eigentlich die Rente mit 63?

Berlin. Wer profitiert von der abschlagsfreien Rente mit 63? In erster Linie wollten Union und SPD gesundheitlich angeschlagene „Malocher“ damit bedenken. Doch eine aktuelle Untersuchung der Deutschen Rentenversicherung zeigt: Von dieser Form der Frühverrentung profitieren vor allem jene Älteren, die bis eben noch weitgehend fit im Erwerbsleben gestanden haben.

Die Deutsche Rentenversicherung hat eine Untersuchung zu vorgezogenen Altersbezügen vorgelegt.

Die Deutsche Rentenversicherung hat eine Untersuchung zu vorgezogenen Altersbezügen vorgelegt.

Foto: dpa



Die Expertise stützt schon länger gehegte Befürchtungen der Wirtschaft. Demnach kommt die Rente mit 63 „vor allem am Arbeitsmarkt langfristig und gut integrierten Personen (…) zugute“, so das Fazit der Untersuchung. Nur ein Fünftel der Zugänge habe vor Rentenbeginn keine Erwerbstätigkeit aufgewiesen.

Allein im Jahr 2015 machten insgesamt 274.000 Personen von der abschlagsfreien Frührente Gebrauch. Interessant dabei: Krankheiten spielen bei den Anrechnungszeiten kaum eine Rolle. Nur bei 2,4 Prozent der Personen, die im Jahr 2016 in den abschlagsfreien Vorruhestand gingen, war die zusätzliche Einbeziehung von Krankheitszeiten für das Erreichen von 45 Versicherungsjahren auschlaggebend. Dagegen schafften fast 17 Prozent der Frührentner die 45-Jahre-Schwelle wegen der Anrechnung von Zeiten ihrer Arbeitslosigkeit.

Eine weitere interessante Erkenntnis: 44 Prozent der Frührentner mit ungeschmälerten Bezügen sind Frauen. Das spricht gegen die landläufige Vermutung, die Rente mit 63 sei fast ausschließlich Männersache. Der hohe Frauenanteil resultiert allerdings in erster Line aus dem Wegfall eines anderen Frühverrentungsmodells. Und noch etwas ist bemerkenswert: Schon wegen seiner besonders langen Versicherungszeiten erzielt dieser Personenkreis überdurchschnittlich gute Renten. Im Vergleich zu anderen vorgezogenen Altersbezügen fallen sie im Schnitt um knapp 300 Euro höher aus.

Vorzeitig ohne Rentenabschläge kann in den Ruhestand gehen, wer auf mindestens 45 Versicherungsjahre kommt. Die Grenze für den vorgezogenen Renteneintritt steigt allerdings schrittweise an und liegt derzeit bei 63 Jahren und acht Monaten. Vor dieser Neuregelung war eine abschlagsfreie Rente erst mit 65 Jahren möglich. Zugleich galten strenge Kriterien bei den Anrechnungszeiten. Diese wurden mit der Neuregelung gelockert. So zählen bei den 45 Versicherungsjahren jetzt zum Beispiel auch Zeiten von Arbeitslosigkeit und längeren Krankheiten mit. Nach Angaben der Rentenversicherung kann fast jeder vierte Anspruchsberechtigte durch die Lockerung der Kriterien überhaupt erst von der Rente mit 63 profitieren. Letztlich führt das zu einer deutlichen Ausweitung des Nutzerkreises.

„Die Zahlen bestätigen das, was wir tagtäglich in unseren Betrieben erleben: Fachkräfteflucht in den Ruhestand“, hieß es gestern beim Verband der Familienunternehmer. Den Nutzern der Rente mit 63 könne man keinen Vorwurf machen, erklärte Verbandschef Reinhold von Eben-Worlee. Allerdings gehe das Gesetz zu Lasten der jüngeren Generation. Und die Frührentner würden in den Betrieben fehlen.

Als die Rente mit 63 vor vier Jahren in Kraft trat, hatte die Große Koalition den umstrittenen Vorstoß mit der Notwendigkeit einer besonderen Anerkennung individueller Lebensleistungen verteidigt. Zugleich wurde darauf verwiesen, dass es besonders langjährigen Beschäftigten oft aus gesundheitlichen Gründen unmöglich sei, den regulären Renteneintritt zu erreichen.

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