Weidmann schließt neuen Schuldenschnitt für Athen nicht aus

Berlin (dpa) - Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland nicht ausgeschlossen. Am Ende werde man einen Forderungsverzicht brauchen, damit Griechenland wieder Zugang zu den Kapitalmärkten bekomme, sagte Weidmann am Freitag in Berlin vor Spitzenmanagern.

Die Frage sei aber, ob man mit einem Schuldenschnitt zum jetzigen Zeitpunkt die richtigen Anreize setze. Weidmann warf die Frage auf, ob es nicht sinnvoll sei, diesen Forderungsverzicht in Aussicht zu stellen, wenn die Reformen auch umgesetzt seien.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) pocht auf einen weiteren Schuldenerlass - nun zu Lasten der öffentlichen Geldgeber. Etwa zwei Drittel der griechischen Schulden von mehr als 300 Milliarden Euro entfallen auf sie. Im Frühjahr hatten bereits die privaten Geldgeber auf Forderungen verzichtet. Die Bundesregierung lehnt einen Schuldenschnitt mit der Begründung ab, er sei rechtlich nicht durchführbar. Dem deutschen Steuerzahler würde damit erstmals eine Rechnung aus der Eurokrise präsentiert - was der Regierungskoalition im Wahljahr äußert ungelegen kommen dürfte.

„Der Schuldenschnitt löst ja die Probleme noch nicht“, betonte Weidmann. Wenn man heute auf Forderungen verzichte und Athen Schulden erlasse, Haushalt und Defizit aber nicht tragfähig seien, werde man in zehn Jahren in der gleichen Situation sein wie heute.

Beim Führungstreffen Wirtschaft der „Süddeutschen Zeitung“ warf Weidmann der Politik vor, in der Schuldenkrise zu viel Verantwortung auf die Notenbank abzuwälzen: „Man sollte darauf achten, dass jeder das erfüllt, wozu er auch in der Lage ist.“ Der von den Euro-Staaten geschaffene Rettungsfonds ESM sei derjenige, der bisher nicht gehandelt habe, obwohl er dazu demokratisch legitimiert sei. Gleichzeitig sei der Eindruck vermittelt worden, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die einzig handlungsfähige Institution in der Eurokrise sei.

„Diese Einschätzung teile ich nicht. Und ich finde sie auch als Notenbankchef und als Staatsbürger bedenklich“, sagte Weidmann. Damit würden immer mehr Entscheidungen auf Institutionen verlagert, die dazu demokratisch nicht legitimiert seien.

Weidmann hat mehrfach das Vorgehen der EZB kritisiert. Dabei geht es um die Ankündigung der Zentralbank, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern über die Börse aufzukaufen - wenn Staaten im Gegenzug unter den Rettungsschirm schlüpfen und sich Reformprogrammen unterwerfen.

Aus Sicht Weidmanns steht das Anleihekaufprogramm juristisch auf wackeligen Füßen. Er wolle dem Bundesverfassungsgericht keine Ratschläge geben. „Aber dass wir uns hier in einem Grenzbereich bewegen, ist auch dem juristischen Laien relativ klar. Und dass man die Grenzen des Mandats der Geldpolitik dehnt, ist auch jedem klar, der beobachtet, was passiert.“ Karlsruhe hatte im September grünes Licht für den Euro-Rettungsschirm ESM gegeben, will aber die Rolle der EZB im Hauptverfahren noch näher prüfen.

Inzwischen hat eine deutsche Protestgruppe beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Klage gegen die EZB eingereicht, weil das Anleiheprogramm aus ihrer Sicht gegen diese Vorgabe verstößt. Die Bürgerrechtsbewegung Zivile Koalition vertritt die Auffassung, dass das Vorgehen der Notenbank einen unmittelbaren Einfluss auf die Geldwertstabilität im Euroraum ausübt. Das Gericht bestätigte den Eingang der Klage.

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