Unternehmer sehen Rot-Grün kritisch

Verbandspräsident Arndt Kirchhoff über Martin Schulz, die NRW-Regierung und die Erwartungen zur Landtagswahl im Mai.

Der Präsident der Unternehmer NRW, Arndt Kirchhoff.

Der Präsident der Unternehmer NRW, Arndt Kirchhoff.

Foto: Marius Becker dpa

Düsseldorf. „Wir sind neutral“ — den Satz verschluckt er fast, der Präsident von Unternehmer NRW, der Landesvereinigung der Unternehmensverbände. Doch Arndt Kirchhoff ist eher das Gegenteil anzumerken, als er zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl vor Journalisten beschwört, dass NRW vor einer Richtungsentscheidung stehe.

Seit Beginn der Legislaturperiode sei das Land unter Rot-Grün zurückgefallen, sagt er. „Wir haben ein unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, unterdurchschnittliche Investitionen, unterdurchschnittliche Steuereinnahmen, aber die höchsten Gewerbesteuersätze“, klagt er. Wenn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) da Optimismus verbreite, dann reiche das doch nicht. Kirchhoff: „Wir müssen selbstbewusster sein, und das finden die Bürger auch.“

Angesichts des von vielen in der Wirtschaft ungeliebten Umweltministers Johannes Remmel (Grüne) sagt er: „Man kann es so sehen, dass es in der Landesregierung einen starken Umweltminister gibt. Man kann aber auch umgekehrt sagen, dass ein Minister von einer Regierung koordiniert werden muss.“ Die Wirtschaft erwarte von einer Regierung eine einheitliche Politik, keine Alleingänge. „Es muss orchestriert werden, es muss einen Dirigenten geben. Der Regierungschef muss das Kabinett so führen, dass es möglichst schnell zu Entscheidungen kommt.“

Wenn Hannelore Kraft erneut Ministerpräsidentin werde und sie dann wieder sage, dass NRW Industrieland bleiben solle, „dann erwarte ich, dass sie eine bessere Politik macht als in den letzten fünf Jahren“. Dass es im Kabinett, wie auch immer es aussehe, keine gegenseitige Blockade gebe, sondern „dass es einen Begeisterungsschub gibt: Wir packen jetzt gemeinsam an und renovieren unser schönes Land“.

Bislang aber seien die Unternehmen in der Staatskanzlei nicht gehört worden. „Da hat überhaupt keiner gefragt.“ Das Wirtschaftsministerium unter Garrelt Duin (SPD) habe sich zwar alle Mühe gegeben, etwa bei den industriepolitischen Leitlinien zur Entwicklung des Industriestandorts NRW. Aber Kirchhoff schränkt ein: „Das ist super, wenn da Einzelne strampeln, wenn das aber in der Staatskanzlei nicht richtig koordiniert wird, ist das keine gute Regelungsarbeit.“

Die Unternehmensverbände wünschten sich, dass es in der nächsten Landesregierung ein Wirtschaftsministerium mit einer „ressortübergreifenden Querschnittsfunktion“ gebe. Ministerien sollten nicht nebeneinander ihre eigenen Programme verfolgen, keine Alleingänge machen. Vorhaben müssten ressortübergreifend auf ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf den Mittelstand geprüft werden.

Eindringlich mahnt Kirchhoff, der als geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff-Gruppe von Iserlohn aus einen weltweit tätigen Automobilzulieferer lenkt, dass Nordrhein-Westfalen Industrieland bleiben müsse. „Wir wollen, dass auch morgen noch der Stahl in Duisburg gekocht wird. Die Tonne Stahl in Duisburg ist die am saubersten gekochte Tonne auf der Welt.“ Insofern sei die Wahl auch richtungsentscheidend: „Sollen wir Industrieland bleiben oder Naturschutzreservat oder aber Dienstleistungskönig?“, fragt er und weist darauf hin, dass auch Dienstleistung nur dann im Land stattfinde, wenn sie auch die Industrie als Basis habe.

Die Landespolitik habe es in der Hand, Investoren anzulocken und die, die hier sind, nicht zu vertreiben. Da müssten auch die Bürger mitgehen. Was er am Beispiel der Logistikindustrie erläutert: „Wir wollen sonntags ein Päckchen im Internet bestellen, und am Montag soll es da sein. Dummerweise müssen dann aber auch Lkw über die Straßen fahren, und da sagen die Leute: gern in Holland oder Hessen, aber nicht hier bei mir.“ Die Politik müsse sich bekennen: Wir wollen die Unternehmen in NRW sehen, wir wollen die Wertschöpfungsketten erhalten.

Auch auf den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz kommt Kirchhoff zu sprechen. Die von diesem entfachte Gerechtigkeitsdebatte sei gefährlich. Sein „Herumhacken auf der Agenda 2010“ sei ein Blick in den Rückspiegel. Von Politikern sei zu erwarten, dass sie nach vorne schauen.

Wenn man jetzt schon davon rede, dass man die Folgen eines vielleicht bald schwächeren Wirtschaftswachstums sozial abfedern werde, sei das „eine hochgefährliche Debatte“. Kirchhoff wundert sich, dass im Wahlkampf das Thema Wirtschaft bislang praktisch gar keine Rolle spiele. Dabei ist es doch das zentrale Zukunftsthema, „die Lebensader, die es erst möglich macht, soziale Leistungen zu finanzieren“. Statt mehr Geld in die Sozialsysteme zu stecken, sollte es lieber in Bildung gelenkt werden. Wenn er aber die aktuelle Umverteilungsdebatte verfolge, „stellen sich bei mir sämtliche Nackenhaare auf.“ Man müsse investieren, Arbeitsplätze auf- und ausbauen. „Danach kann man sehen, wie wir unser Wohnzimmer noch schöner machen.“

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