Siemens-Betriebsrat: „Wir brauchen einen Bahnkoordinator“

Heinz Spörk, Vorsitzender des Betriebsrates von Siemens in Krefeld, fordert nach der Zug-Fusion mit Alstom mehr Rückendeckung durch die Politik in Berlin.

Siemens-Betriebsrat: „Wir brauchen einen Bahnkoordinator“
Foto: Bischof

Krefeld. Die Bahnsparten von Siemens und dem französischen Alstom-Konzern werden eine Fusion eingehen. Im Werk Krefeld und auf dem Testgelände in Wildenrath sind davon zusammen knapp 3000 Mitarbeiter betroffen. Wir sprachen mit Heinz Spörk, Vorsitzender des Krefelder Betriebsrates, über die Folgen.

Spörk hat eine Ausbildung als Technischer Zeichner absolviert. Seit 2001 sitzt der gebürtige Krefelder im Betriebsrat, seit 2010 ist er Vorsitzender des Gremiums.

Spörk hat eine Ausbildung als Technischer Zeichner absolviert. Seit 2001 sitzt der gebürtige Krefelder im Betriebsrat, seit 2010 ist er Vorsitzender des Gremiums.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Herr Spörk, wie ist die Stimmung in der Belegschaft?
Heinz Spörk:
Es gibt keine Begeisterung, aber jetzt hören endlich die Spekulation auf. Gut ist, dass Stellen und Standorte bis Ende 2022 nicht angetastet werden dürfen.

Aber Krefeld verliert 300 Stellen. Das hatte der Vorstand im Mai verkündet.
Spörk:
Richtig, im Rohbau verlieren wir 300 Stellen. Aber ohne betriebsbedingte Kündigungen und nicht so rasch, wie der Vorstand es wollte. Zudem gibt es 50 neue Stellen in der Logistik.

Gab es eine gute Alternative zu der Fusion mit Alstom?
Spörk:
Uns wäre es lieber gewesen, wenn Siemens Alstom übernommen hätte. Jetzt gibt es ein neues Unternehmen, das nicht mehr zur AG gehört. Es hätte aber auch schlimmer kommen können. Einige im Vorstand wollten die Bahnsparte komplett abstoßen.

Ist es denkbar, dass der Standort Krefeld mittelfristig von der Fusion profitiert?
Spörk:
Denkbar ja, aber aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. Effizienter als in Krefeld werden nirgends auf der Welt Züge gebaut. Deshalb können wir selbstbewusst in alle Gespräche gehen. Aber im Bahnbereich spielt die Politik eine große Rolle. Das macht mir Sorgen.

Warum?
Spörk:
Unser neuer Partner kommt aus Frankreich. Und dort wird traditionell eine andere Industriepolitik gemacht als bei uns. Nach 2022 wird es vermutlich um den Abbau von Stellen gehen. Und ich fürchte, dass es dann eher deutsche als französische Standorte trifft, weil sich die Politik bei uns raushält.

Was fordern Sie?
Spörk:
Wir brauchen in Berlin einen Bahnkoordinator. Die Politik interessiert sich nur für die Straße, aber nicht für die Schiene und die heimische Bahnindustrie. Es darf nicht sein, dass wettbewerbsfähige Standorte aus politischen Gründen verschwinden.

Die Franzosen fürchten, dass es bald nur noch den ICE gibt und der TGV verschwindet?
Spörk:
Das muss nicht so sein. der TGV fährt fast nur in Frankreich, der ICE ist weltweit unterwegs. Vielleicht bleibt das so.

Siemens-Chef Joe Kaeser erwartet, dass das neue Unternehmen zweistellige Umsatzrenditen erreicht. Ist das nicht utopisch?
Spörk:
Zweistellige Margen sind nicht unrealistisch. Alstom und wir schaffen derzeit 7,3 Prozent. Da geht sicher noch was, im neuen Unternehmen werden weit geringere Overhead-Kosten zu betrachten sein.

Welche Rolle hat der neue französische Präsident Emmanuel Macron bei der Fusion gespielt?
Spörk:
Ohne Frage hat Macron Türen geöffnet, die zuvor verschlossen waren. Aber diese Fusion wurde ebenso von der Bundesregierung gewollt und befördert. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Kartellbehörden in Europa grünes Licht geben werden. Wir brauchen eine starke europäische Bahnindustrie, um dem Weltmarktführer aus China Paroli bieten zu können. Auch die Bahnsparte von Siemens wäre auf Dauer zu klein gewesen.

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