Sanktionen gegen Russland treffen auch völlig unbeteiligte Firmen

Lieferverbote der EU sollen Putins Erdölindustrie schwächen. Doch die Auflagen sind teils so pauschal, dass sie seltsame Blüten treiben.

Sanktionen gegen Russland treffen auch völlig unbeteiligte Firmen
Foto: Daniel Maurer/dpa (zu dpa „Keine Pumpen für Russland - Sanktionen treffen unbeteiligte Firmen“ vom 25.09.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Düsseldorf. Die Pumpe ist nur etwas größer als ein Fünf-Mark-Stück, etwa 30 Gramm bringt sie auf die Waage. Sie ist eigentlich dafür gedacht, Haft-Öl an die Kette einer Motorsäge zu bringen. Ein Verschleißteil, dass der Hersteller Stihl immer mal wieder an seine Kunden liefern muss. Wenn es allerdings um russische Kunden geht, stellt das Stihl seit Ende Juli vor ein Problem.

Seitdem die EU ein Embargo über Lieferungen an die russische Ölindustrie verhängt hat, braucht auch die kleine Pumpe eine Genehmigung vom Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa). Grund ist die sogenannte Zolltarifnummer, mit deren Hilfe Waren im gemeinsamen Wirtschaftsraum der Europäischen Union sortiert werden.

Die Nummer der Ölpumpen von Stihl ist im Anhang II der Verordnung 883 aufgelistet. Mit dessen Hilfe soll verhindert werden, dass Werkzeug zur Erdölexploration nach Russland gelangt. Zwischen Rohren für Öl- oder Gasfernleitungen oder Tiefbohrwerkzeugen sind dort unter der Nummer 841350 auch „Verdrängerpumpen für Flüssigkeiten, mit Motorantrieb“ genannt.

Stihl-Vertriebsleiter Joachim Burandt kann nur vermuten, warum ausgerechnet die Mini-Pumpen des Motorsägenherstellers auf die Liste gelangt sind. „Ölpumpen wurden für diese Embargoliste nicht weiter spezifiziert“, sagt er. Das gleiche gilt für Stihls Bohrwerkzeuge: Die sind dafür gedacht, circa ein Meter tiefe Löcher zum Beispiel für Weidezäune zu graben — und fallen nun in eine Kategorie mit Bohrwerkzeugen zur Ölförderung.

Dieter Knopp, Nutzfahrzeug-Vertriebsleiter bei ZF Lenksysteme, kennt das Problem. Er braucht seit Ende Juli Genehmigungen für Hydraulik-Pumpen von Servolenkungen. „Wohlwissend, dass man damit kein Erdöl fördern kann.“

Das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle kämpft mit der Flut der Ausnahmeanträge für Russland-Exporte. Wie viele auf den Anhang II der Verordnung fallen, konnte ein Sprecher zwar nicht beantworten. Seit Beginn der Sanktionen seien aber alles in allem fünfmal mehr Anträge eingegangen als im Vorjahr. In den sechs Wochen zwischen 1. August und 15. September waren es 1400. Für den Anhang II biete die Behörde allerdings Verfahrenserleichterung an, wenn die Produkte nicht den Zweck des Embargos erfüllen, betont der Sprecher.

Doch so einfach, sagt Stihl-Vertriebsleiter Burandt, sei das nicht. Sowohl für die 140 verschiedenen Pumpen, als auch für die Bohrwerkzeuge brauche sein Unternehmen Sonderfreigaben — und zwar für jeden einzelnen der zehn Kunden in Russland. Und: „Es sind erst einmal drei, vier Wochen verstrichen, bis das Bafa die Auslegung des Embargos final entschieden hat.“

Die Genehmigung selbst dauere in der Regel zwei Wochen. Außerdem ziehe jeder Container, in dem auch nur ein genehmigungspflichtiges Bauteil verpackt sei, einen Besuch des Zolls nach sich. „Das hält die Lieferung tierisch auf.“ Wer sich nicht daran hält, dem drohen Strafen.

Eine grundsätzliche Freigabe habe ZF Lenksysteme nicht erhalten, sagt auch Vertriebsleiter Knopp. „Das ist kein Hindernis, aber eine Hürde. Und zwar eine ziemlich große.“ Ein Kunde sei beinahe abgesprungen.

Klaus Friedrich, Experte für Exportkontrolle beim VDMA, fordert: „Die Bundesregierung muss die Anwendungspraxis der Sanktionen an die tatsächlichen Sanktionsziele anpassen.“ Der Anhang II basiere auf breiten Zolltarifnummern und gehe weit über den offiziellen Sanktionszweck hinaus — mit Folgen für die Behörde. Er schätzt, dass im Zusammenhang mit dem Anhang II bis Ende 2014 eine vierstellige Zahl an Exportanträgen beim BAFA auflaufen wird.

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