Occupy-Wall-Street Bewegung: Der Beginn einer Revolution

Kalle Lasn über seine Occupy-Wall-Street-Bewegung.

Washington. In den USA gilt er als Gründer jener „Occupy-Wall-Street-Bewegung“ (Besetzt die Wall Street), die seit September 2011 US-Metropolen überrollt, auch Europa angesteckt und Diskussionen über die Zukunft des Kapitalismus „Made in the USA“ entfacht hat. Kalle Lasn aber sieht sich anders. „Die Revolution hat keinen Gründer“, sagt der 69-Jährige gegenüber unserer Zeitung. „Wir sind lediglich die Anstifter, wir haben einen Aufstand angezettelt, der seit Jahrzehnten nur eine Frage der Zeit war.“

Begonnen hatte es im Sommer 2011 mit der Fotomontage einer Ballerina, die auf dem Rücken des Wall-Street-Bullen posiert. Das Bild erschien in der von Lasn gegründeten Zeitschrift „Adbusters“, die seit mehr als 20 Jahren gegen die auf Privatkonsum gestützte amerikanische „Wegwerfgesellschaft“ wettert.

Im September folgte dann der Aufruf, den New Yorker Finanzdistrikt zu besetzen. Danach ging es Schlag auf Schlag. In dutzenden Großstädten in aller Welt, unter anderem in Düsseldorf, Berlin und Frankfurt, schlugen desillusionierte Vertreter der „unteren 99 Prozent“ ihre Zelte auf. Sie demonstrierten gegen die Übermacht der Industrielobbyisten und multinationalen Konzerne.

Obwohl es wieder etwas ruhiger geworden ist und die Polizei versucht, die Proteste zu unterdrücken, ziehen die Demonstranten auch im neuen Jahr wieder durch die Straßen von New York. Lasn wittert jedenfalls den Beginn einer „globalen Revolution“. Der Mathematiker, der nach dem Zweiten Weltkrieg einen Teil seiner Jugend in Deutschland verbrachte und später mit seinen Eltern nach Australien auswanderte, gründete 1989 in Vancouver „Adbusters“. Die Publikation verstand sich von Beginn an als ein „revolutionäres Magazin mit einer revolutionären Agenda“.

Dass es über 20 Jahre dauerte, bis die sozialen Unruhen zur Realität wurden, begründet Lasn mit der schwachen Konjunktur und dem immer tieferen Wohlstandsgefälle. „Die Zeit war reif“, sagt der Herausgeber. Insbesondere junge, gebildete Menschen hätten erkannt, dass „die ökonomische Rechnung nicht mehr aufgeht“. Sie bangen um die Zukunft und die ihrer Kinder.

Für 2012 hat Lasn große Pläne. Occupy Wall Street stehe gerade am Anfang. Das kurzfristige Ziel: Die G20-Staaten müssten sich auf eine Finanztransaktionssteuer verständigen. Das wäre eine solidarische Kampfansage an die Ära des schnellen Geldes, in der am Computer jeden Tag beim Handel mit riskanten Finanzderivaten mehr Geld umgesetzt würde, als weltweit Waren und Dienstleistungen ausgetauscht würden.

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