Wirtschaft Mit dem Diesel exportieren die Deutschen ihr schlechtes Gewissen

Altautos, die hier nicht mehr den Umweltnormen entsprechen, fahren trotzdem weiter — in Afrika, Asien oder Osteuropa.

Symbolbild.

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Foto: dpa

Düsseldorf. Wenn sich der Deutsche Schaustellerbund einmal im Jahr zum Delegiertentag trifft, nutzt Präsident Albert Ritter immer die Gelegenheit, auf bürokratische Missstände hinzuweisen, die seinem Berufsstand im Wege stehen. In diesem Jahr ging es auch um die alten Zugmaschinen, den Stolz der Branche, dem aber mitunter die Fahrt in die städtischen Umweltzonen verweigert werde.

Ritter kann diese Beschränkung nicht verstehen: In der Regel würden die Zugmaschinen nur zum Festplatz fahren und dort dann tagelang ungenutzt neben den Fahrgeschäften stehen — also auch nicht die Umwelt belasten. Und außerdem: „Wenn wir sie abstoßen, verschwinden sie ja nicht. In Afrika sind die Menschen dankbar dafür.“

Und zwar schon lange. Autos, die in die Jahre gekommen sind, in Deutschland keinen Abnehmer mehr finden oder sogar nicht mehr fahrtüchtig sind, treffen in Afrika oder Asien noch auf bereitwillige Käufer. Die Deutschen exportieren dabei nicht nur ihre ausrangierten Fahrzeuge, sondern auch ihr schlechtes Gewissen.

Das schlechteste Gewissen betrifft seit dem Herbst 2015 den Diesel. Im September räumte VW die Manipulation der Abgaswerte bei Dieselmotoren ein. Und womöglich sind die Exportzahlen für Gebrauchtwagen ein Seismograf für das gewandelte Verhältnis der Deutschen zu ihrem einstigen Liebling. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden 2015 zwischen Januar und November knapp 200 000 gebrauchte Benziner exportiert, gut 18 000 davon aus NRW. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres sank die Zahl bundesweit auf knapp 154 000 und in NRW auf 16 000. Umgekehrtes Bild beim Diesel: 2015 lagen die Exportzahlen bei Gebrauchtwagen von Januar bis November mit knapp 170 000 noch unter denen der Benziner. Im vergangenen Jahr wurden mehr Diesel exportiert: gut 173 000 (NRW: 29 000). Beleg dafür, dass die Deutschen ihre Feinstaub- und Stickoxid-Sünder schneller abstoßen?

Zumindest stellt Ali Allouch, Autoexporteur aus Schwelm, ein verstärktes Angebot alter Dieselfahrzeuge fest: „Seit zwei Jahren werden viele Diesel verkauft.“ Gerade erst hat er wieder einen Wagen aufgekauft, der nur über die gelbe Umweltplakette verfügte. „Die Frau war es leid, in der Innenstadt immer Knöllchen zu bekommen.“

In Afrika seien zwar Diesel eher bei Geländewagen und Bussen gefragt, während bei Kleinwagen lieber Benziner gekauft würden. „Aber innerhalb der EU verkaufen wir viele Diesel auch nach Bulgarien und Rumänien.“

Preise für Dieselfahrzeuge massiv unter Druck

Die Preise für Dieselautos sind in Deutschland durch die Diskussion um Fahrverbote laut einem Autohändler-Verband massiv unter Druck. „Wir gehen davon aus, dass sich im Moment die Preise um zehn bis 20 Prozent nach unten bewegen“, sagt Ansgar Klein, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes freier Kfz-Händler, vor allem mit Blick auf den Gebrauchtwagenmarkt. In dem Verband haben sich nach eigenen Angaben 900 deutsche Autohändler organisiert.

Klein begründet den Preisrückgang mit Stuttgart, wo ab 2018 Fahrverbote kommen sollen, sowie ähnlichen Vorhaben in anderen deutschen Städten. „Die aktuelle Informationslage hat deutlichen Einfluss auf den Dieselmarkt.“ Die Verbraucher seien verunsichert, so der Branchenvertreter. Er hoffe, dass diese Verunsicherung nicht zu Panik führe und sich die Lage nach dem Ende der Diesel-Negativdiskussion wieder normalisiere. Seit einem Jahr sei aber auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt eine sinkende Dieselnachfrage spürbar.

Für ihn steht fest, dass infolge des Preisverfalls und geringerer Nachfrage im Inland der Export gebrauchter Diesel ins Ausland weiter wächst: „Das wird so sein.“ Aktuell werde das noch durch das beschädigte Vertrauen in die Politik befeuert, die den Diesel über Jahre befördert habe. Dennoch ist Klein überzeugt: „Das Ende des Diesels in Deutschland ist noch nicht eingeleitet.“

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