Merkel zerstreut Ängste der Ökoenergie-Branche

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Befürchtungen zurückgewiesen, dass in Kürze tiefe Einschnitte bei der deutschen Ökoenergie-Förderung anstehen.

Das sei ein ganz normales Gespräch, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin mit Blick auf ein Energie-Spitzentreffen im Kanzleramt. Bei dem Essen mit den Vorstandsvorsitzenden der führenden deutschen Energie- und Industrieunternehmen am Mittwochabend sollte der Energie-Gipfel am 4. Februar in Brüssel im Fokus stehen. Da es sich um ein Treffen in vertraulicher Runde handelte, war zunächst unklar, was genau am Abend besprochen wurde.

Unter anderem sollte es bei dem rund zweistündigen Treffen um dem schleppenden Netzausbau gehen. Für den Energieinfrastrukturausbau sieht die EU-Kommission einen Investitionsbedarf von 200 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren. Die Wirtschaft hofft auf eine starke Position Deutschlands in Brüssel, um bei einer stärkeren europäischen Energiepolitik voranzukommen.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) will neben einer EU- Energiestrategie demnächst auch die nationalen Fördersysteme für den Ökoenergieausbau anpassen. Dadurch müssten die im deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vereinbarten Gelder auf einen EU- einheitlichen Satz zurückgefahren werden. Auch Förderobergrenzen wären möglich - in Deutschland können bisher unbegrenzt Windräder oder neue Solaranlagen zugebaut werden. Die Einspeisevergütungen für den Ökostrom zahlen alle Verbraucher über den Strompreis mit.

Den Energiekonzernen und der Industrie geht der deutsche Ökoenergieausbau zu schnell - schon jetzt müssen Atomkraftwerke wegen des Einspeisevorrangs für Sonnen- und Windstrom teilweise heruntergeregelt werden. Die Konzerne stützen Oettingers Linie. Zudem fehlen allein in Deutschland 3600 Kilometer Höchstspannungsleitungen, wodurch es - bei immer mehr Ökostrom - in Zukunft zu Netzproblemen kommen könnte.

Seibert betonte, dass bei dem Treffen nicht die deutsche Position für den EU-Gipfel besprochen werde, dies sei Aufgabe der Politik. Es handele sich auch keineswegs um ein Geheimtreffen.

Die SPD und die Grünen fürchten, dass über die EU-Schiene mittels einer Harmonisierung das deutsche EEG ausgehebelt werden soll. Da es eine üppige Förderung vorsieht - allein 2011 gibt es geschätzte 13,5 Milliarden Euro - würde eine Angleichung zu einem Rückgang bei der Installation von Windrädern oder Solaranlagen führen.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) waren nicht eingeladen, aber über das Treffen informiert. Auf die Frage, warum keine Vertreter aus der Öko-Branche dabei waren, sagte Seibert, dass auch die großen Energieversorger stark im Bereich der erneuerbaren Energien engagiert seien.

Eingeladen waren unter anderem die Vorstandschefs der vier Stromerzeuger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall teil, Johannes Teyssen, Jürgen Großmann, Peter Villis und Tuomo Hatakka. Auch die Chefs von BASF, Siemens und Bosch - Jürgen Hambrecht, Peter Löscher und Franz Fehrenbach sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie hatten von Merkel eine Einladung bekommen. Zudem bat sie Netzbetreiber hinzu.

Oettinger setzt sich für eine „sanfte Landung“ des deutschen EEG ein. Künftig solle Solarstrom dort produziert werden, wo die meiste Sonne scheint. Aber auch für einen stärkeren Stromtransport zwischen den EU-Staaten fehlen tausende Kilometer an Stromleitungen.

Mit Blick auf das Treffen forderte der Chef des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Dietmar Schütz, Röttgen zum Handeln auf. „Ich möchte Sie im Namen der Erneuerbare-Energien-Branche dringend darum bitten, sich persönlich (...) gegen eine EU-Harmonisierung der nationalen Fördersysteme auszusprechen und aktiv dagegen vorzugehen“, schrieb Schütz an Röttgen. In dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schreiben heißt es, eine aktuelle Analyse komme sogar zu europaweiten Mehrkosten von bis zu 90 Milliarden Euro. Zugleich seien Arbeitsplätze und Unternehmen einer Zukunftsbranche gefährdet.

Den Profiten der Energiekonzerne werde mit den Plänen freier Lauf gelassen, monierte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Ihre Parteikollegin Bärbel Höhn sagte: „Nachdem die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung durchgeboxt hat, versucht man jetzt über die EU das deutsche EEG zu schleifen“. So werde der Ausbau der Erneuerbaren insgesamt gebremst und die Gewinnmargen der Energiekonzerne nach oben getrieben. Die Umweltschützer von Greenpeace sprachen von einem „Schlachtplan gegen Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser“.

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