Madoff-Betrug: JPMorgan Chase gerät in Erklärungsnot

New York (dpa) - Die US-Großbank JP Morgan Chase steht für ihre engen Geschäftsbeziehungen zum Milliardenbetrüger Bernard Madoff am Pranger. Der Vertreter der Geschädigten wirft der Hausbank von Madoff vor, dass sie trotz erheblicher Zweifel an seinem Geschäftsgebaren untätig geblieben sei.

„JP Morgan Chase wusste oder hätte wissen müssen, dass Madoff wahrscheinlich in Betrügereien verstrickt ist“, erklärte Treuhänder Irving Picard am Donnerstag in New York. Mindestens anderthalb Jahre vor dem Auffliegen des Schneeballsystems im Dezember 2008 hätten Bankmitarbeiter Verdacht geschöpft und intern gewarnt.

Dennoch habe die Führung von JPMorgan Chase die Konten bis zum Tage von Madoffs Verhaftung offengehalten und damit die Anleger ins offene Messer laufen lassen, so der Vorwurf. JPMorgan Chase wies die Anschuldigungen als haltlos zurück und erklärte, sich dagegen zu wehren.

In einer 114 Seiten langen Klageschrift hat der Treuhänder prekäre Details aus dem Innenleben der führenden US-Bank zusammengetragen, darunter E-Mails von Mitarbeitern. So schrieb ein hochrangiger Risikomanager im Juni 2007 eine Rundmail: Er habe gerade von einem Kollegen beim Mittagessen erfahren, dass „eine wohlbekannte Wolke über dem Kopf von Madoff hängt“. Es gebe Spekulationen, dass Madoffs Gewinne aus einem Schneeballsystem stammten.

„JPMorgan Chase hatte jahrelang den Verdacht, dass Madoff betrogen hat, aber die Bank hat erst im Oktober 2008 die Behörden informiert“, sagte Treuhänder-Anwältin Deborah Renner. „Aber selbst dann hat die Führung von JPMorgan Chase die Konten nicht geschlossen.“ Treuhänder Picard fordert deshalb von der Bank 1 Milliarde Dollar an Gebühren und Gewinnen zurück sowie obendrein einen Schadenersatz von 5,4 Milliarden Dollar.

Bereits im Dezember hatte Picard die Bank verklagt, ein Teil der Unterlagen blieb damals aber unter Verschluss. Das belastende Dokument wurde erst am Donnerstag veröffentlicht. „Es wird noch mehr kommen“, kündigte Rechtsanwältin Renner an. JPMorgan Chase solle zur Herausgabe weiterer Informationen gezwungen werden. Treuhänder Picard hatte Ende vergangenen Jahres eine ganze Reihe von Nutznießern des Schneeballsystems verklagt, um möglichst viel Geld für die Geschädigten herauszuschlagen.

JPMorgan Chase war mehr als zwei Jahrzehnte lang die Hausbank von Madoff. Über ihre Konten liefen die meisten Transaktionen. Zudem hatte die Bank ihren Anlegern ermöglicht, bei Madoff zu investieren. JPMorgan legte auch eigenes Geld an, schließlich waren die Renditen verlockend hoch - „zu gut, um wahr zu sein“, wie ein Mitarbeiter feststellte. Die Bank, so der Vorwurf, habe ihre eigenen Einlagen aber rechtzeitig vor der Verhaftung von Madoff in Sicherheit gebracht, bis auf eine Restsumme von 35 Millionen Dollar.

Madoff hatte über Jahrzehnte hinweg bei Investoren rund 20 Milliarden Dollar eingesammelt. Die vermeintlichen Profite zahlte er mit dem Geld neuer Kunden. Es war der größte Betrugsfall der Finanzgeschichte. Der 72-Jährige wurde im Juni 2009 zu 150 Jahren Haft verurteilt. Einer seiner zwei Söhne konnte die Erniedrigung nicht mehr ertragen und erhängte sich im Dezember - genau zum Jahrestag, an dem der Betrug aufgeflogen war.

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