Kartellrecht: Bücher - Schöne neue Freiheit?
Nach dem Fall der Preisbindung in der Schweiz wird Lesen überraschend teurer. In Deutschland ist die Diskussion neu entfacht.
<span style="font-weight: bold;">Düsseldorf. Der letzte Band von Harry Potter wurde auf deutschsprachigen Internetseiten für zehn Euro unter dem Originalpreis angepriesen. Auch die Buchhandlungen lockten mit Sonderangeboten. Wenn jedoch Ende Oktober die deutsche Ausgabe auf den Markt kommt, wird stets 24,90 Euro auf dem Preisschild prangen - egal ob im Internet, bei Buchhändlerketten oder im kleinen Laden um die Ecke. Grund dafür ist die Buchpreisbindung, die bei in Deutschland verlegten Büchern einen Einheitspreis vorschreibt.
Die Welt steht Kopf: Der Kunstband muss den Harry Potter finanzieren
In der Schweiz ist sie Ende April gefallen, jetzt gibt es die ersten Ergebnisse über die Folgen. Und die überraschen: Die erwartete Rabattschlacht beschränkte sich auf wenige Titel. Im Durchschnitt stiegen die Preise für Bücher sogar. Dies reicht von der Anhebung der empfohlenen Ladenpreise auf sogenannte Schwellenpreise (zum Beispiel von 19,45 auf 19,90 Franken) bis zu erheblichen Zuschlägen bei Wissenschaftsliteratur. Der führende Schweizer Verlag Ammann will langfristig darauf reagieren, indem er die unverbindlichen Preisempfehlungen für seine Titel erhöht. Dann müssten auch deutsche Kunden für Bücher aus der Schweiz mehr bezahlen.Zwar werden täglich wechselnde Bestseller mit Preisnachlässen zwischen zehn und 40 Prozent angeboten. Doch laut Buchwissenschaftler Erdmann Weyrauch machen die Verkaufsschlager mit Millionenauflage nur fünf Prozent aller Bücher aus. Bei der Schweizer Großbuchhandlung Orell Füssli etwa wurden 2006 mit den 300 besten Titeln nur zehn Prozent des Gesamtumsatzes erzielt.
So ist es der Großteil der Bücher, der teurer werden muss, um den ausbleibenden Gewinn mit den verramschten Bestsellern auszugleichen. Der Wegfall der Preisbindung stellt demnach die Mischkalkulation auf den Kopf: Nicht der Harry Potter finanziert länger den schwerer verkäuflichen Kunstband, sondern andersrum.
Buchhandlungen versuchen, die gedrückten Margen auszugleichen, indem sie Marktanteile hinzugewinnen. Orell Füssli etwa bietet Bibliotheken und Schulen zehn statt bisher fünf Prozent Ermäßigung an. Kleinere Buchhandlungen suchen ihre Marktposition mit Rabattsystemen für Stammkunden zu behaupten.
Dennoch gibt Daniela Koch vom Ammann-Verlag, der eng mit kleinen Buchhandlungen zusammen arbeitet, zu bedenken: "Diese Läden können nicht so massiv mit den Preisen runtergehen bei den gut verkäuflichen Schnelldrehern im Sortiment. Die Vielfältigkeit der Buchverkaufsstellen dünnt sich aus. Es ist ein kulturelles Armutszeugnis."
Sprang argumentiert dagegen: "Das Buch ist die einzige Kultur-sparte, die nicht direkt subventioniert wird wie etwa das Theater oder der Film." Christian Russ, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Versandbuchhändler, sagt: "Ohne Buchpreisbindung gäbe es bald nur noch Kaufhausbibliotheken mit den gängigsten 500 Titeln."