Kaffeesteuer: Warum fairer Handel an Grenzen stößt

Bundesminister Gerd Müller möchte die Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee abschaffen, um das Verhalten der Verbraucher zu ändern.

Kaffeesteuer: Warum fairer Handel an Grenzen stößt
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Düsseldorf. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller geht mit einer Idee in seine zweite Amtszeit, die für einen Christsozialen eher ungewöhnlich ist: Er möchte fair gehandelten Kaffee fördern. Sein Plan: Auf die ethisch bevorzugte Variante wird keine Kaffeesteuer erhoben, damit die Verbraucher beim Einkauf zum Fairtrade-Angebot greifen.

„Hundertausende Kinder arbeiten für den Kaffee, den wir trinken“, so Müller. „Wir dürfen unseren Wohlstand nicht länger auf Sklaven- und Kinderarbeit und der Ausbeutung der Umwelt gründen“, sagte der CSU-Politiker. Nachhaltigkeit sieht er als „neuen Megatrend“. Er gehe davon aus, dass nachhaltige Produkte, ähnlich wie Bioprodukte, in zehn Jahren zum Standard gehören.

Was einfach klingt, erweist sich in der Umsetzung als schwierig. Wie das Entwicklungsministerium auf Nachfrage dieser Zeitung mitteilt, gebe es einen Dialog mit dem zuständigen Bundesfinanzministerium. Von einer konkreten Kabinettsvorlage ist aber keine Rede. Dass Kassenwart Olaf Scholz (SPD) die Idee mit dem Verzicht auf die Kaffeesteuer befürwortet, ist ebenfalls nicht bekannt.

Es geht nicht um Kleingeld: Bei Röstkaffee beträgt der Steuer-Anteil 2,19 Euro pro Kilo, bei löslichem Kaffee sind es 4,78 Euro. Hinzu kommt jeweils die Mehrwertsteuer. Gut eine Milliarde Euro bringt das pro Jahr für die Bundeskasse.

Konventionell angebauter Kaffee wird hierzulande zum Preis von etwa sechs Euro pro Kilo verkauft. Fairtrade-Kaffee ist mit etwa 13 Euro mehr als doppelt so teuer. Selbst ohne die Kaffeesteuer (2,60 Euro je Kilo inklusive Mehrwertsteuer) bleibt der Preisunterschied sehr groß. Ob der Wegfall der Kaffeesteuer den fair gehandelten Bohnen Flügel verleihen könnte, darf bezweifelt werden. Denn im deutschen Lebensmitteleinzelhandel spielt der möglichst niedrige Preis die entscheidende Rolle. Genuss mit guten Gewissen findet nur in der Nische statt.

Nach Angaben von Fairtrade Deutschland hat der nach den internationalen Standards zertifizierte Kaffee hierzulande 2016 einen Marktanteil von 3,8 Prozent erreicht. 70 Prozent davon werden in der Kombination mit einer Bio-Zertifizierung verkauft.

Wie brutal der faire Handel an Grenzen stößt, zeigt das Missverhältnis zwischen Produktion und Absatz. Im Schnitt wird nur ein Drittel des unter Fairtrade-Bedingungen angebauten Kaffees tatsächlich auch zu Fairtrade-Bedingungen verkauft. Mit anderen Worten: Die Nachfrage reicht bei Weitem nicht aus. Was nicht als Fairtrade-Ware abgesetzt werden kann, wandert als Beimischung in normalen Kaffee.

Dieses Problem ist keineswegs auf Deutschland beschränkt. Während weltweit etwa fünf Prozent des Kaffees unter Fairtrade-Bedingungen angebaut werden, finden nur zwischen zwei und drei Prozent als zertifizierte Ware einen Käufer. Konsumenten bekommen also oft Fairtrade-Ware, ohne dafür einen Cent mehr bezahlen zu müssen.

Angesichts dieser Marktverhältnisse freut sich Dieter Overath, Chef von Fairtrade Deutschland, über den Vorstoß von Minister Müller. „Unfairer Handel muss höher besteuert werden als fairer Handel,“ so Overath. Nach seinen Angaben bauen derzeit 840 000 Kaffeebauern in Lateinamerika, Afrika und Asien den Rohstoff nach Fairtrade-Standards an. Der Erfolg des Systems hänge davon ab, einen Markt für den zertifizierten Kaffee zu finden. Laut Overath haben Studien immer wieder belegt, dass Fairtrade dann noch funktioniert, wenn mindestens 30 Prozent der Produkte zu Fairtrade-Bedingungen verkauft werden können.

Die Behauptung, fair gehandelter Kaffee habe ein Qualitätsproblem, weist Overath als „veraltet“ zurück. Fairtrade habe mehr als 140 Partner im Kaffeebereich, die die geschmackliche Vielfalt von Fairtrade belegen könnten. Fairtrade-Bauern erhalten demnach zusätzlich zum kostendeckenden Mindestpreis eine Prämie, von der ihr Betrieb profitiert. Die Bauern müssten 25 Prozent davon verpflichtend in Aktivitäten zur Qualitäts- und Produktivitätssteigerung investieren.

Zusätzlich zum Verkaufserlös habe Fairtrade 2015 rund 148 Millionen Euro an Prämien ausgezahlt. Der Anteil der Zertifizierungskosten an den Prämien betrage im Schnitt nur 2,8 Prozent. Der Vorwurf, die Kosten der Zertifizierung seien zu hoch, treffe nicht zu.

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