Ifo-Chef Sinn: Wir sind jetzt im Abschwung

Die Russland-Krise lässt das Geschäftsklima auf den tiefsten Stand seit 2013 sinken.

Ifo-Chef Sinn: Wir sind jetzt im Abschwung
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Düsseldorf. Zum fünften Mal in Folge ist der Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung im September gesunken. Er fiel von 106,3 auf 104,7 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit anderthalb Jahren. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, der am Mittwoch bei der Handwerkskammer Düsseldorf sprach, macht dafür die Russlandkrise verantwortlich.

Herr Sinn, beginnt jetzt der Abschwung?

Hans-Werner Sinn: Eindeutig. Die Frage ist, wie tief und profund er ist. Wir hatten 2011 und 2012 Abschwungphasen, von denen wir uns schnell wieder erholt haben. Gehen wir mal davon aus, dass sich das Szenario des großen Abschwungs von 2008 nicht wiederholt.

Womit rechnen Sie unter dem Strich für das gesamte Jahr?

Sinn: Vor einem Jahr waren wir mal bei knapp unter zwei Prozent Wachstum, das wird jetzt wohl deutlich nach unten korrigiert.

Was muss die Bundesregierung jetzt machen?

Sinn: Gar nichts, es ist nicht ihre Aufgabe, auf Konjunkturschwankungen zu reagieren. Die Wirtschaft entwickelt sich nun einmal in Zyklen.

Der Abschwung ist aus ihrer Sicht also nicht von der Politik gemacht? Stichwort Mindestlohn?

Sinn: Über den Mindestlohn sollte man immer nachdenken, aber dessen Auswirkungen werden sich erst in etwa fünf Jahren zeigen. Die jetzige Schwäche hat viel mehr mit der Russlandkrise zu tun. Knapp drei Prozent der deutschen Exporte gehen dahin. Das hört sich wenig an, aber nach Amerika gehen auch nur 7,9. Knapp 45 Prozent der deutschen Unternehmen haben Kontakte zu Russland, so dass die krisenhafte Zuspitzung hier maßgeblich zur konjunkturellen Abschwächung geführt hat.

Welche Branchen außer der Landwirtschaft sind am stärksten betroffen?

Sinn: Praktisch das gesamte verarbeitende Gewerbe, weil es direkt oder indirekt über Zulieferer betroffen ist. Entsprechend verbreiten sich die negativen Erwartungen. Dass es das Baugewerbe trifft, würde ich nicht unterstellen. Dort sehen wir außer einer saisonalen Abschwungbewegung nichts besonderes.

Der schwache Euro nützt der Konjunktur. Trotzdem kritisieren Sie, die EZB manipuliere die Wechselkurse.

Sinn: Natürlich nützt der schwache Euro den europäischen Produkten und fängt auch eine weltweite Nachfrageschwäche ab. Das ist ökonomisch ganz gut, aber der Europäischen Zentralbank ist es rechtlich verboten, Wechselkurse zu manipulieren.

Den Euro nennen Sie oft ein Gefängnis. Was ist zu tun?

Sinn: Ich fände es ganz gut, wenn einige kleine europäische Länder das Recht hätten, vorübergehend austreten, damit die Wirtschaft sich erholt.

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