Gnadenfrist für GM gibt Opel Zeit

Innerhalb von 60 Tagen muss der US-Autobauer einen neuen Plan vorlegen. Sonst droht ihm die Insolvenz.

Rüsselsheim/Washington. US-Präsident Barack Obama hat der Opel-Mutter General Motors (GM) die Pistole auf die Brust gesetzt. Mit einem Machtwort hat er den auch in Rüsselsheim zuletzt immer unbeliebteren Konzernchef Rick Wagoner zum Rücktritt gezwungen. Dem am Abgrund steuernden Autoriesen gewährte das Weiße Haus am Montag eine allerletzte Galgenfrist für einen tragfähigen Rettungsplan.

Das große Zittern der 25.000 Opelaner um ihre Jobs findet so mit dem für heute angesetzten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Opel-Stammsitz Rüsselsheim noch längst kein Ende.

Zumindest gewinnt Opel aber etwas Zeit. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sprach von einer "Atempause". Autoexperte Christoph Stürmer vom Wirtschaftsforscher Global Insight Deutschland meint: "Die Hoffnung ist gewachsen, dass Opel die Voraussetzungen für ein Überleben schaffen kann." Eine Überlebensgarantie sei das aber nicht.

Wagoner galt angesichts der Rekordverluste längst als "lame duck" - lahme Ente. Obama wusste mit seinem Feingespür für die öffentliche Meinung genau, dass den US-Bürgern die Geduld für Milliardenspritzen an heruntergewirtschaftete Konzerne ausgeht. Sie wollen Opfer.

Der Opel-Betriebsrat reagierte mit Erleichterung. "Ich habe mich immer gewundert, wie lange sich jemand halten kann, der den Wert von GM um 90 Prozent gemindert hat", sagte Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz. Wagoner habe seit 2005 bei GM rund 82 Milliarden Dollar verbrannt, seine zentralistische Politik sei gescheitert.

Bei Opel sieht man durch den Wechsel an der Spitze und den Zeitgewinn die Chancen für die angestrebte Abkopplung von GM gestiegen. Händeringend sucht der Hersteller dafür Investoren und arbeitet an einem eigenen Sparprogramm über eine Milliarde Euro. Doch Merkel lehnt einen Staatseinstieg weiter ab und macht Hilfen vom endgültigen GM-Sanierungsplan und Obamas Entscheidung abhängig.

Die Hoffnung auf größere Zugeständnisse scheint für Merkels Besuch in Rüsselsheim dahin. Die Kanzlerin dürfte sich angesichts der neuen Gnadenfrist laut Beobachtern nicht weiter aus dem Fenster lehnen und Milliarden-Versprechen machen. Da hilft auch der erneute Appell von Franz wenig: "Die Bundesregierung muss endlich sagen, wir wollen helfen", forderte er.

Große Fragezeichen empfangen derweil Wagoners Nachfolger, den bisherigen GM-Vize Fritz Henderson. Einen überzeugenden Plan vorzulegen, wird schwierig sein.

Henderson, der früher Europa-Chef und später Finanzvorstand bei GM war, muss zum einen den Gewerkschaften Lohnzugeständnisse entringen, um das Lohnniveau auf dasselbe Niveau von Arbeitern zu drücken, die bei den US-Werken ausländischer Hersteller beschäftigt sind. Sie arbeiten billiger, weil sie keiner Gewerkschaft angehören.

Auch sollen die GM-Werke zügig auf sparsamere, umweltfreundlichere Produktion ausgerichtet werden. Ferner muss Henderson eine abschließende Lösung für die Pensionsverpflichtungen gegenüber der alternden Belegschaft finden. Gelingt dies nicht innerhalb der 60-tägigen Galgenfrist, daran lässt das Weiße Haus keinen Zweifel aufkommen, dann wäre man bereit, die Konzernpleite in Kauf zu nehmen.

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