Gericht: T-Aktionäre hätten sich besser beraten dürfen

Frankfurt/Main (dpa) - Im millionenschweren Schadensersatzprozess um den Börsengang der Deutschen Telekom hat die Vorsitzende Richterin indirekt unvorsichtige Anleger kritisiert. Sie hätten sich von Experten beraten lassen müssen, wenn sie den Börsenverkaufsprospekt nicht verstanden hätten.

Das sagte Birgitta Schier-Ammann am Mittwoch bei der Verhandlung am Oberlandesgericht Frankfurt. Man müsse trennen zwischen dem fachlichen Prospekt und der Werbung mit dem populären Schauspieler Manfred Krug, sagte die Juristin in der Diskussion um die Verständlichkeit des 263 Seiten starken Prospekts zum dritten Börsengang des früheren Staatsunternehmens im Jahr 2000.

Der von 17 000 enttäuschten Kleinanlegern wegen angeblicher Falschangaben angegriffene Prospekt hätte auch nicht beliebig vereinfacht werden können, weil dies zu Ungenauigkeiten geführt hätte, sagte die Richterin. Mit dem Schriftstück hätten auch institutionelle Anleger informiert werden müssen.

Sie sei allerdings sicher, dass sich der Bundesgerichtshof als nächste Instanz noch einmal mit dem Wissenshorizont des durchschnittlichen Anlegers befassen müsse, sagte Schier-Ammann. Sie persönlich halte es für „fast unmöglich“, juristische oder wirtschaftliche Komplexe in schriftlicher Form allgemeinverständlich zu formulieren. Das könne im persönlichen Gespräch leichter gelingen.

Der Schauspieler Manfred Krug hatte gegen stattliche Gage in einer bis dahin beispiellosen Kampagne für die vermeintliche „Volksaktie“ geworben und sich erst Jahre später dafür beim Publikum entschuldigt. Sein Engagement bezeichnete er später als größten beruflichen Fehler.

Das OLG verhandelte zum 17. Mal in dem Musterprozess um die Klagen von rund 17 000 Kleinanlegern, die für erlittene Kursverluste rund 80 Millionen Euro Schadensersatz verlangen. Beide Seiten gehen unabhängig von dem Frankfurter Urteil davon aus, dass der Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof weitergeführt wird. Die ersten Klagen um den Börsengang stammen aus dem Jahr 2001.

Der Rechtsanwalt Andreas Tilp kritisierte das sogenannte Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG), das dem Prozess zugrunde liegt: „Das ist absichtlich so schlecht gemacht, damit der Telekom-Prozess nicht in absehbarer Zeit endet.“ Immerhin richte sich etwa jede zehnte Klage gegen den Bund, der darüber hinaus auf europäischer Ebene effektive Sammelklagen von Aktionären behindere.

Noch keine Stellung nahm der Senat zu neuen Angriffspunkten wie dem globalen Haftungsrisiko, das die Telekom vom Bund und der Staatsbank KfW ohne erkennbare Gegenleistung übernommen hatte. Dorthin waren die Einnahmen von rund 13 Milliarden Euro aus dem Börsengang geflossen.

Zudem soll die Beteiligung am US-Mobilfunker Sprint im Jahr 1999 im Prospekt um rund 8 Milliarden Euro zu positiv dargestellt worden sein. Auch hierzu wollen die Richter noch weiter beraten. Für den 25. April stellte der Senat eine Entscheidung in Aussicht. Nach einem Urteil sieht es allerdings nicht aus. Eher rechnen die Prozessbeteiligten mit weiteren Beschlüssen zu neuen Beweiserhebungen.

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