Fällt die Nabucco-Pipeline kleiner aus?

Frankfurt/Main/Wien (dpa) - Mit großem Engagement hatte sich die EU hinter das Erdgas-Pipelineprojekt Nabucco gestellt. Doch der ehrgeizige Plan wackelt. Kommt jetzt eine kleinere Lösung?

Verzögerungen und steigende Kosten - vor allem dadurch machte das ehrgeizige europäische Pipelineprojekt zuletzt von sich reden, das Europa unabhängiger vom russischen Gas machen soll. Nun ist eine radikale Verkleinerung im Gespräch. „Es läuft auf eine pragmatisch machbare Lösung hinaus“, sagte Johannes Vetter, ein Sprecher der federführenden österreichischen OMV, am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa in Wien. Nach den ursprünglichen Plänen sollte die Pipeline Erdgas aus den kaspischen Feldern über die Türkei nach Österreich transportieren.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Mittwoch) berichtete unter Berufung auf EU-Diplomaten, der geplante Bau habe sich als zu teuer erwiesen. Zuletzt hatte das Konsortium selbst die Kosten mit acht Milliarden Euro veranschlagt und dabei eingeräumt, dass es sich noch weiter verteuern könnte. Aus Branchenkreisen wurden Summen von bis zu 15 Milliarden Euro genannt. Die OMV machte dazu keine Angaben. Auch die EU-Kommission wollte sich am Mittwoch zu dem Thema nicht äußern.

Für Unsicherheit sorgte zudem die Ankündigung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, dass sich der teilstaatliche Energiekonzern Mol aus dem Projekt zurückziehen oder seine Beteiligung stark senken will. In einer Mol-Erklärung, die am Mittwoch von ungarischen Medien zitiert wurde, heißt es: „Neben den bis heute ungeklärten Kosten und Gasquellen halten wir die Durchführung des Nabucco-Projekts in der gegenwärtigen Struktur und unter dem gegenwärtigen Projekt-Management nicht für gesichert.“

Wichtige Partner im Konsortium sprechen sich bereits für eine reduzierte Variante aus. „Wir sind bereit, uns an Lösungen, die wirtschaftlich sind, zu beteiligen, auch wenn es kleinere sind“, sagte ein RWE-Sprecher am Mittwoch. Auch beim BP-Konzern, der am Betreiberkonsortium des Gasfeldes Shah Deniz II mit mehr als 25 Prozent beteiligt ist, findet die kleinere Version Interesse: „Nabucco Klassik liegt derzeit auf Eis“, sagte BP-Sprecherin Tamam Bayatly. BP habe derzeit eine andere Lösung im Blick.

Das zur Debatte stehende verkleinerte Projekt „Nabucco West“ würde das Gas lediglich von der türkisch-bulgarischen Grenze nach Österreich bringen und so dem europäischen Markt zugänglich machen. Von der Förderregion durch die Türkei bis dorthin würde das Gas durch Pipelines anderer Betreiber strömen. Diese Variante würde Investoren entgegenkommen, den europäischen Beteiligten aber auch die Kontrolle über eine wichtige Passage entziehen.

„Es ist nicht entscheidend, welcher Name auf welchem Teilstück steht“, sagte OMV-Sprecher Vettel. Der Sprecher des Konsortiums, Christian Dolezal, erklärte: „Beide Varianten sind derzeit möglich und denkbar“ und hätten jeweils Vor- und Nachteile. „Wenn man bei Nabucco West die Strecke halbiert, ist das auch vom Investment her günstiger“, sagte Dolezal.

Das Nabucco-Konsortium hatte im vergangenen Oktober ein Angebot an das autoritär regierte Aserbaidschan für den Gasexport nach Europa in beiden Varianten vorgelegt. Nach Einschätzung des staatlichen aserbaidschanischen Energieriesen Socar, der am Shah-Deniz-II-Konsortium beteiligt ist, hat das ursprünglich anvisierte Nabucco-Projekt aus Mangel an Gas derzeit keine Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg.

Im Moment gebe es für eine solche Leitung von Aserbaidschan nach Europa nur zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, hatte der Chef der Investitionsabteilung von Socar, Wagif Alijew, zuletzt der dpa gesagt. Nötig sei aber die dreifache Menge. Nabucco sei für 31 Milliarden Kubikmeter Gas Jahresleistung geplant. Deshalb favorisiere das Land gegenwärtig kleine Transportmöglichkeiten.

Um Zugang zu dem großen Shah-Deniz-II-Feld haben sich neben Nabucco auch die Türkei-Griechenland-Italien-Verbindung (ITGI), die Transadriatische Pipeline (TAP) und die türkische Tanap beworben. Im Sommer will das Shah-Deniz-Konsortium eine Entscheidung fällen, welcher Nabucco-Variante es den Vorzug gibt und dann entscheiden, welcher Bewerber den Zuschlag erhält.

Der Gruppe gehören derzeit die OMV, RWE, Mol, die türkische Botas, die Bulgarian Energy Holding und die rumänische Transgaz an. Der kommunale Gasversorger Bayerngas hält nach Angaben eines Sprechers vom Mittwoch an seinen Plänen für eine Beteiligung fest.

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