Experten: Weniger Schwarzarbeit in Deutschland

Berlin/Tübingen (dpa) - Die Schwarzarbeit in Deutschland ist auf dem Rückzug. Ihr Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung dürfte in diesem Jahr auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren sinken.

Das ist das Fazit der Prognose für die Schattenwirtschaft 2013, die der Volkswirtschaftsprofessor Friedrich Schneider von der Universität Linz und das Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) am Mittwoch in Berlin vorstellten.

„Die Menschen haben gute Chancen, einen Arbeitsplatz in der regulären Wirtschaft zu bekommen. Für Schwarzarbeit fehlt ihnen dadurch schlicht die Zeit und die Motivation“, erklärte IAW-Geschäftsführer Bernhard Boockmann den Rückgang. Trotzdem werde weiterhin fast jeder siebte Euro am Fiskus vorbeigeschleust. Damit steht Deutschland etwas schlechter da als der Durchschnitt der Industrienationen.

Nach der Modellrechnung kommt die Schattenwirtschaft in diesem Jahr auf ein Volumen von 340 Milliarden Euro, das entspräche 13,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das wären 3 Milliarden Euro oder 0,2 Prozentpunkte weniger als 2012. Der Höhepunkt wurde im Jahr 2003 mit einem Anteil von 17,1 Prozent erreicht. Seitdem sank die Quote kontinuierlich mit Ausnahme des Krisenjahres 2009.

Unter Schattenwirtschaft verstehen die Experten vor allem Schwarzarbeit, aber auch andere kriminelle Aktivitäten. Durch Schwarzarbeit entstehe „zusätzliche Wirtschaftsleistung und zusätzliches Einkommen“, sagte Schneider. Etwa die Hälfte der Schwarzarbeit ersetze reguläre Arbeit, die andere Hälfte könne als zusätzliche Wertschöpfung angesehen werden.

„Die großen Verlierer sind die staatlichen Institutionen und die Sozialversicherungsträger.“ Dem Staat fehlen nach Scheiders Schätzung wegen der Schattenwirtschaft rund 50 bis 60 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt forderte mehr Fahnder und schärfere Kontrollen gegen Schwarzarbeit.

Von der stabilen Wirtschaftslage erwarten die Experten in diesem Jahr einen Effekt von 1,4 Milliarden Euro weniger Schattenwirtschaft. Die Senkung der Rentenbeitragssätze von 19,6 auf 18,9 Prozent werde 1,1 Milliarden Euro beitragen. Weil dadurch vom Brutto mehr Netto übrig bleibt, werde reguläre Arbeit attraktiver, sagte Boockmann. Die Erhöhung der Verdienstgrenze bei Minijobs von 400 auf 450 Euro wirke sich mit weiteren 200 Millionen Euro aus.

Zugleich warnten die Experten: Wenn die zuletzt immer stärker in die Kritik geratenen Minijobs gestrichen würden und geringfügig Beschäftigte ganz normal Steuern und Abgaben zahlen müssten, hätte das große Wirkung. Vor allem im Gastgewerbe, bei Taxifahrern oder in der Gebäudereinigung würden viele Mini-Jobber in die Schwarzarbeit wechseln. Unterm Strich ließe das die Schattenwirtschaft um rund sieben Milliarden Euro ansteigen.

Unter den Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) steht Deutschland im Mittelfeld. Negativer Spitzenreiter im Ländervergleich ist Griechenland, wo der Studie zufolge in diesem Jahr 24,6 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt am Fiskus vorbeigeschleust werden.

In Griechenland und Spanien gehe der Anteil der Schwarzarbeit derzeit jedoch leicht zurück, eine ungewöhnliche Entwicklung für Länder in der Rezession, wie Schneider sagte: „Die Einkommensverluste sind dort so stark, dass sogar Schattenwirtschaftsleistungen weniger nachgefragt werden.“

Ebenfalls stark ausgeprägt ist die Schattenwirtschaft in Italien mit 21,1 Prozent, in Portugal mit 19,0 Prozent und Spanien mit 18,6 Prozent des BIP. In den USA ist sie der Modellrechnung zufolge wegen niedriger Lohnnebenkosten mit 6,6 Prozent am geringsten.

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