EU-Vergeltungszölle: Es gibt keinen Grund für Hamsterkäufe

Die Folgen des Handelsstreits mit den USA dürften sich für deutsche Verbraucher vorerst in Grenzen halten. Die Gegenzölle der EU sind eher ein politisches Signal.

Produkte wie Erdnussbutter, Jeans, Motorräder und Whiskey werden durch den Zollstreit mit den USA zwar teurer — wie sehr und wann steht aber noch nicht fest.Besonders Jeans werden Branchenangaben zufolge oft gar nicht mehr in den Vereinigten Staaten hergestellt. Foto: Christian Charisius/dpa

Produkte wie Erdnussbutter, Jeans, Motorräder und Whiskey werden durch den Zollstreit mit den USA zwar teurer — wie sehr und wann steht aber noch nicht fest.Besonders Jeans werden Branchenangaben zufolge oft gar nicht mehr in den Vereinigten Staaten hergestellt. Foto: Christian Charisius/dpa

Foto: Christian Charisius

Düsseldorf. Die Verbraucher in Deutschland müssen durch die von der EU verhängten Vergeltungszölle auf US-Produkte wie Jeans, Whiskey, Mais und Motorräder früher oder später mit Preissteigerungen rechnen. Davon geht die Außenhandelsvereinigung des deutschen Einzelhandels (AVE) aus. „Im Lebensmittelbereich könnten höhere Preise schon bald spürbar sein, weil hier die Margen besonders gering sind. Bei der Mode wegen der langfristig vereinbarten Kollektionen etwas später“, sagt AVE-Präsident Matthias Händle. Doch Anlass zu Hamsterkäufen besteht nicht, wie eine Umfrage unter Branchenverbänden ergab.

Beispiel Jeans: „Die meisten Jeans kommen gar nicht aus den USA“, betont Thomas Rasch vom Modeverband Deutschland Germanfashion. Produziert würden sie meist „in der Türkei oder sonst wo“. Die Vergeltungszölle seien ein politisches Signal, werden aber keine spürbaren Auswirkungen auf den deutschen Textilmarkt haben, ist der Branchenkenner überzeugt. Wenn überhaupt, dann treffe es einzelne besonders hippe Teile aus Kollektionen von US-Designern, aber bei denen spiele der Preis nur eine untergeordnete Rolle.

Fakt ist: Von den gesamten deutschen Textilimporten in Höhe von 32,6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr kamen gerade einmal Waren im Wert von 67 Millionen Euro oder 0,2 Prozent aus den den USA. Damit schafften es die Vereinigten Staaten nicht einmal unter die Top 25 der Textillieferanten für die deutschen Kleiderschränke.

Etwas anders ist die Situation bei Agrarprodukten wie Reis, Mais oder Orangensaft. Bei Mais etwa sind die USA immerhin der drittgrößte Lieferant für die EU, wie Wienke von Schenck von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) betont. Doch auch hier kommt ein wesentlich größerer Teil der Ware aus der Ukraine und aus Brasilien. Bei Reis sind China, Indien und Indonesien wichtige Lieferanten, bei Orangensaft Brasilien und China.

„Importeure werden versuchen, wo möglich auf Lieferanten aus anderen Ländern auszuweichen“, prognostiziert AVE-Präsident Händle deshalb. Auch wenn dies in einigen Fällen nicht gelingt, dürften die Auswirkungen für die deutschen Verbraucher häufig nicht so gravierend sein. „Bei vielen Produkten werden sich die Strafzölle nicht eins zu eins in den Verbraucherpreisen widerspiegeln“, betont Christian Böttcher vom Handelsverband Lebensmittel. Denn die Produkte würden häufig noch veredelt, bevor sie in den Handel gelangten. Der aus den USA importierte Mais wird laut AMI überwiegend als Tierfutter verwendet und landet später eher in Form von Rindersteaks auf dem Tisch.

Außerdem wird Mais häufig zu Tortillas, Chips oder Cornflakes weiterverarbeitet. Die Kosten für den Mais inklusive Zusatzzoll seien dann nur ein Teil der Herstellungskosten — und nicht unbedingt der wichtigste.

Nach Einschätzung des AVE-Chefs haben die Verbraucher ohnehin noch eine Atempause, bis die Preissteigerungen bei ihnen ankommen. „Es ist unwahrscheinlich, dass wir sofort höhere Preise sehen werden“, meint Händle. Zum einen liege noch einiges an Ware bereits verzollt in den Lagern. Zum anderen verhindere der harte Wettbewerb im deutschen Handel, dass höhere Importkosten eins zu eins an die Verbraucher weitergereicht würden.

Die großen deutschen Supermarktketten und Discounter hielten sich zunächst mit Prognosen über die künftige Preisentwicklung zurück. „Ob, wann und in welchem Umfang sich die Strafzölle auf ausgewählte US-Produkte preislich auswirken werden, kann derzeit noch nicht vorhergesagt werden“, hieß es bei Rewe. Edeka wollte sich „aus Wettbewerbsgründen“ nicht äußern. Auch Aldi Süd schwieg lieber.

Schmerzhaft spürbar könnten die Zölle aber für Liebhaber typisch US-„Spezialitäten“ wie Bourbon Whiskey oder Harley-Davidson-Motorräder werden. Ein Sprecher des Motorradherstellers sagte am Freitag: „Dass sich die neuen Zölle auf die Preise auswirken werden, geht nicht anders. Aber in welcher Höhe, können wir noch nicht sagen.“ Dennoch sei dem Unternehmen nicht bange. „Wer eine Harley haben will, wird sie sich auch kaufen.“ Mit den am Freitag in Kraft getretenen Vergeltungszöllen von 25 Prozent unter anderem auf Whiskey, Jeans, Reis, Mais und Motorräder aus den USA reagiert die EU auf zuvor von US-Präsident Trump verhängte Sonderabgaben auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren aus Europa.

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